Tiefenbohrungen:Endlager überall

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Auf der Suche nach Erdwärme für Geothermie-Kraftwerke werden wie hier in Geretsried Löcher gebohrt. Das könnte nun komplizierter werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Wer in die Tiefe bohren will, braucht mancherorts künftig eine Extra-Genehmigung. Kein künstliches Loch soll ein Atommüll-Endlager verhindern.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Gründe für richtig tiefe Löcher gibt es hierzulande einige. Die Suche nach Wasser etwa, nach Erdgas oder Erdwärme, der sogenannten Geothermie. Nur wird das Bohren in manchen Teilen Deutschlands bald komplizierter: Von Mitte August an will das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, kurz BfE, bei allen Bohr-Projekten mitreden, die tiefer als 100 Meter reichen sollen. Nirgends im Land soll ein künstliches Loch ein potenzielles Endlager verhindern.

Es ist eine der ersten Amtshandlungen der neu geschaffenen Behörde und die erste greifbare Konsequenz der neuen Endlagersuche. "Kein Ort soll von vornherein bestimmt oder ausgeschlossen werden", sagte BfE-Chef Wolfram König am Montag in Berlin. "Auch nicht dadurch, dass beispielsweise durch Tiefenbohrungen ein möglicherweise geeignetes Gesteinsvorkommen für die Endlagerung beeinträchtigt oder gar unbrauchbar wird." Damit schaffe man auch die Voraussetzungen für ein "faires Verfahren", so König.

Bislang gab es vergleichbare Vorgaben nur für das umstrittene Endlagerprojekt Gorleben: Dort sollte eine "Veränderungssperre" verhindern, dass der weitgehend unberührte Salzstock durchlöchert wird. Vergeblich hatten Gorleben-Gegner versucht, mit einer Firma namens Salinas das Gorlebener Salz zu fördern - damit, so hofften sie, würde der Salzstock für Atommüll unbrauchbar. Gerichte stoppten das Salinas-Projekt, auch mit Hinweis auf die behördliche Veränderungssperre.

Mit der Neuregelung entsteht zumindest in dieser Hinsicht eine gleiche Ausgangslage: In Gorleben darf nun nach den gleichen Regeln nicht mehr gebohrt werden wie in anderen Teilen Deutschlands auch. Wo immer mächtige Tonschichten, Granitvorkommen oder andere Salzstöcke liegen, die theoretisch brauchbar sind, wird es einstweilen keine Bohrungen mehr geben können. Betroffene Regionen bekommen so erstmals einen behördlichen Hinweis darauf, dass sie für den Atommüll in Betracht kommen. Das Endlager-Bundesamt kann Gegenden auch komplett als "zu schützende Gebiete" definieren.

Parallel hat mittlerweile die staatliche Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die Arbeit aufgenommen. Sie soll in den nächsten Jahren die potenziellen Standortregionen immer weiter einkreisen. Zunächst soll sie auf Basis geowissenschaftlicher Daten sogenannte Teilregionen ausweisen, die ganz grundsätzlich infrage kämen. Innerhalb dieser Regionen sollen dann einzelne Standorte zunächst an der Erdoberfläche, eine kleine Zahl dann auch untertägig untersucht werden. Am Ende soll jener eine Endlager-Standort stehen, der die "bestmöglichen" Bedingungen aufweist. Frühestens 2031 soll er benannt sein.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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