Ticker-Nachlese:Showdown in Wildbad Kreuth

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Edmund Stoiber in der Höhle des Löwen: Mehr als zehn Stunden dauerte die Aussprache des angeschlagenen Ministerpräsidenten bei der CSU-Landtagsfraktion. sueddeutsche.de liefert alle Neuigkeiten rund um die Mammut-Sitzung im Überblick.

Bernd Oswald und Oliver Das Gupta

1:40 Uhr: Ein Statement, keine Fragen: Edmund Stoiber erklärt sich vor der versammelten Presse, die Kameras klicken. Der Ministerpräsident entschuldigt sich für seine "Wortkargheit", spricht davon, dass er zusammen mit der Fraktionsspitze die Entscheidung des Parteitages sorgfältig vorbereiten würde. Zuletzt sagt er ein paar Sätze zu Horst Seehofer, über dessen Liebschaft sich der Boulevard zur Zeit auslässt.

Die politische Zukunft des bayerischen Ministerpraesidenten Edmund Stoiber bleibt auch nach dem Krisentreffen der CSU-Landtagsfraktion ungewiss. (Foto: Foto: ddp)

Der Bundeslandwirtschaftsminister sei ein "Alpha-Tier" und werde auch nach wie die Geschicke der CSU lenken - zusammen mit ihm. Ganz schmal sieht der Ministerpräsident bei seiner Erklärung aus, schmal und bleich wie früher, vor seiner Solariumszeit. "Warum beantworten Sie keine Fragen", ruft ihm eine Journalistin nach, aber da hat sich Stoiber schon umgedreht und macht sich auf dem Weg zu seiner Limousine.

1:15 Uhr: Die Pressekonferenz ist aus, das Geschehen in Kreuth geht weiter. SZ-Reporter Kassian Stroh sagt, Stoiber wolle anschließend selbst noch ein Statement abgeben.

1:05 Uhr: Ein ORF-Journalist fragt Herrmann, wie viele Abgeordnete sich für einen Rückzug Stoibers ausgesprochen haben. Der Fraktionschef windet sich, sagt, er habe "keine Strichliste" geführt. Es gebe wirklich "keinen Bruch" in der Fraktion, beeilt sich Herrmann zu versichern. Er beteilige sich nicht an "so einer Erbsenzählerei", das entspräche nicht dem "guten Teamgeist" der CSU.

1:01 Uhr: Herrmanns Mundwinkel neigen sich nach unten, weil er unangenehme Fragen abwehren muss. Das macht keinen Spaß, schon gar nicht mitten in der Nacht um eins. Eine Journalistin will wissen: "Was ist jetzt eigentlich anders als vorher?"

Die wenig überzeugende Antwort Herrmanns: "Es war für uns alle wichtig und auch für den Ministerpräsident, die verschiedenen Meinungen zu hören."

0:53 Uhr: Endlich ist es soweit: Fraktionschef Herrmann tritt vor die Presse, von Stoiber keine Spur. In zehn Stunden habe es eine gute, ernsthafte Aussprache mit mehr als 60 Wortmeldungen gegeben, beginnt der Franke. Dann spricht er von einem "Grundkonsens über die weiteren Entwicklungen und Entscheidungsfindungen."

Wörtlich sagt Herrmann: "Wir sprechen unserem Ministerpräsidenten das Vertrauen aus, wir stehen zu Edmund Stoiber", formuliert er munter, "und seiner zukunftsweisenden Politik". Was die Kandidatur angehe: Die sei offen, der Parteitag würde entscheiden, der wiederum von Stoiber und der Fraktionsspitze vorbereitet werden soll.

Ab morgen werde wieder über Sachthemen wie die "Zukunft des ländlichen Raumes." Der letzte Satz löst Heiterkeit unter den Journalisten aus. Herrmann lächelt auch. Das ändert sich, als die Pressevertreter nachbohren.

0:41 Uhr: Immer noch keine Pressekonferenz, aber vom Hörensagen verdichtet sich: Stoiber hat es noch einmal geschafft, Zeit zu gewinnen. Erst im Herbst solle auf einem Parteitag entschieden werden, ob man mit Stoiber als Spitzenkandidat in die Wahl gehen werden, heißt es.

Wilfried Scharnagl (Foto: Foto: AP)

0:06 Uhr: Anruf von Kassian Stroh. Unser Mann in Kreuth berichtet, dass die CSU doch noch immer tagt.

23:59 Uhr: Die CSU-Sitzung ist offenbar beendet. Zumindest berichtet das N24. Der Reporter des Senders vor Ort sagt, dass es Stoiber offenbar geschafft habe, die Stimmung zu wenden. Genaues könne man aber erst später sagen.

23:56 Uhr: Ludwig Stiegler ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Schließlich ist er Bayerns SPD-Chef - und damit direkter Gegenspieler des angeschlagenen Ministerpräsidenten. Bei Bärbel Schäfer im Sender N24 spricht sich der Oberpfälzer für Neuwahlen aus, falls Stoiber stürzen sollte.

Zur Begründung sagt er: "Wenn die einen anderen wählen würden als den Stoiber würde ich sagen: Der hat keine Legitimation." Schließlich habe der ja auch den letzten Wahlsieg eingefahren. Stiegler hat das nicht vergessen, schließlich schmierten seine Sozialdemokraten bei dem Urnengang mächtig ab.

23:32 Uhr:Offenbar ist doch ein Ende des Abends in Sicht: Die Nachrichtenagentur AP meldet, dass die CSU-Landtagsfraktion zum Abschluss ihrer Aussprache mit Stoiber eine Pressekonferenz plant. Ein Sprecher sagte demnach, die Aussprache könnte gegen 0.30 Uhr beendet sein, die Pressekonferenz könnte dann gegen 0.45 Uhr beginnen. Wer daran teilnehme, sei allerdings noch offen.

23:11Uhr: SZ-Reporter Kassian Stroh meldet sich mit einer Neuigkeit aus Kreuth. Wie ihm mehrere Teilnehmer der Sitzung sagten, scheint sich Edmund Stoiber durchzusetzen. Der CSU-Chef verfolgt eine Linie, die darauf abzielt, dass erst später, auf einem Parteitag, über seine Zukunft entschieden wird.

22:52 Uhr: Der Fernsehsender ntv meldet als "Breaking News", dass sich der Streit um Stoibers politische Zukunft zuspitzt. Es werde erwartet, dass die Aussprache in Kreuth bis in die "tiefe Nacht" andauere.

22.20 Uhr: Live-Schalte der ARD-Tagesthemen nach Kreuth. Der Reporter steht vor dem Tagungsgebäude und sagt, es gebe noch immer 20 Wortmeldungen. Außerdem hätten sich unter den versammelten Abgeordneten zwei Lager gebildet, die jeweils von sich behaupten, in der Mehrheit zu sein.

Der ARD-Mann sagt, auch die Stoiber-Kritiker wollten den Ministerpräsident nicht "demontieren" - sondern ihm einen "Abgang in Würde" ermöglichen.

22:03 Uhr: Die Deutsche Presseagentur meldet, es sei "keine rasche Lösung im Führungsstreit um Stoiber in Sicht". In Kreuth herrsche "keine Putschstimmung" gegen Stoiber, heißt es unter Berufung auf Teilnehmerkreise.

Womöglich übernimmt die versammelte Landtagsfraktion Stoibers Zaudern: Sie könnte sich entschließen, sich nicht zu entschließen, zumindest nicht in Kreuth. Angesichts der kontroversen Meinungen sei vorgeschlagen worden, dass die Fraktionsspitze gemeinsam mit Stoiber "in Ruhe" eine Lösung ausarbeite.

Derweil klingelt in der SZ-Redaktion das Telefon. Die Tochter eines ehemaligen CSU-Bundesministers ist am Apparat. Die Dame möchte ein Statement zur aktuellen Lage der Partei loswerden.

21:45 Uhr:Kleine Expertenrunde im Bayerischen Fernsehen: Der Moderator hat den Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld und den früheren Bayernkurier-Chefredakteur Wilfried Scharnagl geladen und befragt sie zum "Drama" um Stoiber. Der Professor glaubt ein eine einvernehmliche Lösung im letzten Akt. Scharnagl, der eine schwarz-rot gestreifte Krawatte umgebunden hat, ist offenbar schlecht gelaunt - und schießt indirekt gegen Stoiber.

Der hatte Berichten zufolge davon gesprochen, dass es keine Alternativen zu ihm gebe. So etwas sei das "dümmste Wort", poltert Scharnagl. "Es gibt immer Alternativen", behauptet der langjährige Strauß-Spezl fest.

21:08 Uhr: Wieder eine Schalte zum BR-Reporter Bachmann in Kreuth. Er glaubt den Worten von Fraktionschef Herrmann, dass es heute keine Abstimmung mehr geben wird. Weder für noch gegen Stoiber. Dazu ist das Meinungsbild in der 124 Köpfe zählenden CSU-Fraktion zu heterogen. Ein Ergebnis von sagen wir 52 Prozent - egal ob für oder gegen Stoiber - würde die Krise ja nur verschärfen und die Spaltung der CSU dokumentieren.

20:58 Uhr: BR-Fernseh-Chefredakteur Sigmund Gottlieb legt die beiden Politiker auf eine Prognose fest, mit wem die CSU in die Landtagswahl 2008 zieht: JU-Mann Weber sagt: Stoiber, Bayerns SPD-Chef Maget ziert sich: "Ich weiß es nicht."

20.45 Uhr: Auch JU-Chef Manfred Weber ist im Bayerischen Fernsehen. Er darf das, weil er zwar Abgeordneter ist, aber nicht im Landtag, sondern im Europaparlament. Er wird auf der Klausurtagung also nicht vermisst. Weber will sich nach der Sendung im Internet-Chat stellen. Vor den Kameras hält der Youngster auf jeden Fall zu Stoiber - obwohl der ja schon im Rentenalter ist.

20.40 Uhr: Im BR debattiert die Münchner Runde über die Causa Stoiber. Focus-Chefredakteur Markwort vergleicht Stoiber mit Adenauer, der auch nicht von der Macht lassen konnte. Davon könne jetzt in Bayern die FDP profitieren, genauso wie 1961, als die Liberalen im Bund auf 12,8 Prozent kamen. Irgendwohin müssen die CSU-Verluste ja wandern.

20.33 Uhr: Herrmann sagt, die Debatte werde mindestens bis Mitternacht andauern. Sein Ziel: die Ergebnisse der Diskussion direkt danach in einer gemeinsamen Erklärung zusammenzufassen. Nur: welche Ergebnisse und vor allem: mit welcher Interpretation?

20:16 Uhr: Das Bayerische Fernsehen zeigt den Auftritt von Fraktionschef Herrmann vor dem Mikrofonwald. "Von einem Machtkampf kann überhaupt keine Rede sein", so der Franke. Es gebe "überhaupt keinen Zweifel, dass wir zu Ministerpräsident Edmund Stoiber stehen". Wer soll das noch glauben, Herr Herrmann?

Unserem SZ-Korrespondenten sagt er hingegen, die Fraktion sei in der Frage einer erneuten Spitzenkandidatur Stoibers gespalten. Ein förmliches Votum über die Zukunft des Ministerpräsidenten sei nicht geplant. Klar ist nur: ein Mann, zwei Meinungen.

19.55 Uhr: Nun tritt der Landtagsabgeordnete Max Strehle vor die Presse: "Auf gar keinen Fall wird es zu einer Erklärung oder Abstimmung gegen Edmund Stoiber kommen", sagt er. Er rechne mit einer "Lösung im Miteinander". Die Aussprache ist immer noch in vollem Gang, es stehen noch 27 Abgeordnete auf der Rednerliste. "Es geht quer durch, Für und Wider, mit großer Sachlichkeit", sagte der CSU-Abgeordnete.

19.30 Uhr: Landwirtschaftsminister Josef Miller kündigt eine "gemeinsame Erklärung" an. Dumm nur, dass er nichts zum Inhalt sagen will.

Jakob Kreidl, Vorsitzender des Innenausschusses im Landtag, rechnet noch für den Abend mit einer Entscheidung. Er weiß aber auch noch nicht, in welche Richtung sie geht: "Es gibt kein klares Meinungsbild."

19.02 Uhr: Wirtschaftsminister Huber gibt weiteren Einblick in die CSU-Debatte: Stoiber bekräftigte seine Linie, dass er kandidieren wolle, aber nicht unbedingt. "Ich will, aber ich muss nicht", sagte der CSU-Chef nach Angaben des Ministers. Und dass Stoiber die Entscheidung in die Hände des Parteitags legt.

Ginge diese Rechnung auf, würde Stoiber ein paar Monate Zeit gewinnen, um für sich zu werben und die Basis zu besänftigen. Offenbar ist er noch immer überzeugt, dass das klappen könnte.

18.57 Uhr: Jetzt ist der Bayerische Rundfunk dran. BR-Reporter Andreas Bachmann berichtet von einem entschlossenen, aber ruhigen Stoiber, der "es wissen will". Nicht nur er, auch die Fraktion, sagt Bachmann. Noch heute soll eine Entscheidung fallen.

18.42 Uhr: Unser SZ-Korrespondent Kassian Stroh meldet sich telefonisch aus Kreuth. Stoibers langjähriger Paladin Erwin Huber hat sich raus zur Presse bequemt und sie mit schönen Sätzen gefüttert: Es habe eine "Diskussion ohne Aggression" gegeben.

Dann ein wunderschöner Satz, der eigentlich von Stoiber direkt stammen könnte: "Es gibt eine deutliche Mehrheit derer, die die Gemeinsamkeiten für die Zusammenarbeit mit Edmund Stoiber in den Vordergrund stellen." Und drittens: Ein Ultimatum habe keiner gestellt. Da tut sich eine ganz schöne Kluft auf zwischen der Wahrnehmung Hubers und der der Presse.

18.34 Uhr: Sat 1 schaltet nach Kreuth zu Reporter Michael Wüllenweber. Der weiß zu berichten, dass nur noch "20 bis 40 Prozent" der Fraktion hinter Stoiber stehen. Eine große Bandbreite, aber in jedem Fall eine Minderheit. Für Wüllenweber ist es eine ausgemachte Sache, dass Stoiber 2008 nicht mehr antritt. Es gehe in der Fraktion nur noch darum, wie man ihm das schmackhaft machen könne.

Und Horst Seehofer braucht sich angeblich keine Sorgen um die unsägliche Baby-Berichterstattung der Bild-Zeitung zu machen. Das wäre höchstens dann problematisch, wenn er Ministerpräsident werden wolle. Denn da braucht man ja eine Frist Lady. Für den CSU-Vorsitz sei die angebliche Affäre kein Problem.

18:27: Nach und nach sickert durch, worüber bisher gesprochen wurde: Neben der Spitzenkandidatur thematisierten die Abgeordneten auch die Spitzelaffäre um die Fürther Landrätin Gabriele Pauli. Angeblich erntete der Ministerpräsident von manchen aber auch Lob.

18:10: Endlich dringt etwas nach draußen: Ein CSU-Sprecher lässt wissen, dass im Sitzungssaal erwartungsgemäß großer Gesprächsbedarf herrsche. Fraktionschef Herrmann lägen etwa 50 Wortmeldungen vor.

17.47 Uhr: In Kreuth wartet die Hundertschaft Journalisten auf irgendeinen menschlichen CSU-Kontakt. Niemand lässt sich blicken. Die Partei scheint gar ein Nachrichten-Moratorium verhängt zu haben: Die Pressekonferenz nach der Aussprache wurde schon abgesagt. Das heißt aber noch lange nicht, dass es nicht doch noch Nachrichten gibt. Am Montagabend war es auch so: Zu später Stunde ließ das Stoiber-Umfeld die Meldung durchsickern, der Ministerpräsident habe ein Entgegenkommen signalisiert: Er wolle wieder antreten, müsse aber nicht.

17.30 Uhr: Die Krise der CSU beschäftigt auch die Sozialdemokraten. SPD-Chef Kurt Beck stichelt:. "So etwas erschwert einfach die Arbeit" - auch wenn die große Koalition in Berlin noch nicht in Frage gestellt sei.

Doch der oberste Genosse verwickelt sich in Widersprüche: Die Berichte über eine angebliche Liebesaffäre von CSU-Vize Seehofer hält er für ein Zeichen, "dass die CSU ziemlich morsch ist." Wer morsch sei, sei auch nicht regierungsfähig. Was denn nun, Herr Beck?

16.50 Uhr: Noch immer gibt es in der CSU-Fraktion ein disparates Bild, was die Zukunft Stoibers betrifft. "Ich kenne keinen Politiker, der sich so unendlich verzehrt hat für das Land und die Partei", sagt Umweltminister Werner Schnappauf.

Dann sind da die Skeptiker, die mangels ungeregelter Nachfolge-Frage vor einem Putsch zurückschrecken, etwa der Abgeordnete Jürgen Vocke, der auch Bayerischer Jagdpräsident ist: "Ich meine, man sollte einen König nur stürzen, wenn man einen neuen König hat."

Und dann gibt es noch die, die in Treue fest zum Ministerpräsidenten stehen: "Wir müssen es mit Stoiber machen", sagt der Mittelfranke Klaus Dieter Breitschwert.

16.15 Uhr: Im CSU-Terminplan ist nun die Aussprache zu Stoibers Rede vorgesehen. Der Parteichef soll nur eine halbe Stunde gesprochen haben und das sehr persönlich. So versucht er offenbar, die Fraktion für sich einzunehmen. "Offen und persönlich wie nie" sei die Rede gewesen, hieß es aus dem Kreis der Zuhörer.

Der CSU-Chef hat angeblich gesagt, dass er nicht an seinen Sesseln klebe und dass die Partei die Freiheit habe, ohne ihn in die nächste Legislaturperiode zu gehen. Auf einem vorgezogenen Parteitag im September sollen die Personalfragen geklärt werden. Den ersten Rednern erscheint das als zu spät.

15:45 Uhr: Die bayerische SPD schaltet sich in die Debatte um Stoiber ein. Landeschef Ludwig Stiegler rechnet nicht mit einem raschen Abgang des Ministerpräsidenten. Stoibers Gegner seien zu feige und blockierten sich gegenseitig. "Es spricht einiges dafür, dass er sich noch eine Weile hinschleppt bis zum Parteitag im Herbst." Und dann bekräftigt Stiegler noch, dass die bayerische SPD Neuwahlen fordere. Da muss sie aber eine Million Stimmen zusammenbekommen.

15:21 Uhr: Die Suche nach Nachrichten hat verblüffende Auswüchse. Da verbreitet ein ORF-Mann die These, CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer wolle neuer Landtagspräsident werden, ein Radiojournalist - nicht wissend wem er da eine Einschätzung der aktuellen Lage entlocken will - verfolgt mit seinem Mikrofon die Sekretärin von Fraktionschef Joachim Herrmann.

15.05 Uhr: Bislang hat sich der frühere CSU-Chef Theo Waigel in der Causa Stoiber sehr bedeckt gehalten. Nun platzt ihm, der 1993 vom Stoiber-Umfeld so kompromittiert wurde, der Kragen: "Der gegenwärtige Zustand widert mich an", poltert der Ex-Bundesfinanzminister in der Bunten. Die CSU sei in der größten Krise seit 1948. Und seitdem hat die CSU einige schwere Krisen erlebt, man denke nur an die Spiegel-Affäre um Partei-Ikone Franz Josef Strauß 1962, die Trennung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU 1976 - und natürlich die Amigo-Affäre 1993, die Stoibers Vorgänger Streibl das Amt kostete.

Gestern hatte Fraktionschef Herrmann noch gemeint: "Ich würde nicht von einer Krise sprechen."

15.02 Uhr: Fraktionschef Herrmann rückt peu a peu von Stoiber ab. Nun sagt er: "Es ist deutlich geworden, dass viele von Stoiber erwarten, dass er zum richtigen Zeitpunkt den Weg für die Erneuerung freimacht." Zahlreiche Abgeordnete befürchten weiteren Schaden für die Partei, wenn es nicht eine schnelle Entscheidung der Führungsfrage gibt.

Immer mehr bis dato der Öffentichkeit unbekannte CSU-Landtagsabgeordnete wagen sich aus der Deckung. Heute ist es Jürgen Vocke. Der bayerische Jagdpräsident verlangt: "Eine Entscheidung muss her. So oder so. Egal in welche Richtung. Aber eine Entscheidung muss her." Herrmann betonte ebenfalls: "Eine so aufgeregte Diskussion wie in den vergangenen Wochen können wir nicht noch ein Dreivierteljahr führen."

14.45 Uhr: Innenminister Beckstein lässt eine weitere Ergebenheitsadresse an seinen Chef vom Stapel: "Für irgendwelche Intrigen stehe ich nicht zur Verfügung." Andere aus der Partei möglicherweise schon, wie Horst Seehofer schmerzlich erfahren muss.

14.30 Uhr: Laut Kreuther Tagesordnung soll CSU-Chef Stoiber ein Grundsatzreferat halten. So wie sich die Dinge entwickelt haben, dürfte es sich eher um ein Verteidigungsplädoyer halten. Die Stimmung in der Landtagsfraktion scheint gekippt zu sein, eine Mehrheit gegen Stoiber.

14 Uhr: Die CSU-Fraktionsklausur in Kreuth ist ein Medienspektakel wie noch nie. Mehr als 170 Journalisten sind akkreditiert, zehn Fernsehsender haben Kamerateams geschickt. Normalerweise kommen etwa 50 Journalisten.

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