Tibet-Konflikt:Dalai Lama begrüßt Gesprächsangebot der chinesischen Regierung

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Die chinesische Regierung will nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua in den nächsten Tagen einen Vertreter des Dalai Lama treffen. Damit würde China einen Kurswechsel im Tibet-Konflikt einleiten.

Gut drei Monate vor den Olympischen Spielen hat China einen Dialog mit dem Dalai Lama angekündigt. Die Regierung werde in den kommenden Tagen Kontakt mit Vertretern des geistlichen Oberhaupts der Tibeter aufnehmen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Regierungsvertreter.

Der Dalai Lama bezeichnet das Gesprächsangebot der chinesischen Regierung als einen "Schritt in die richtige Richtung". (Foto: Foto: AP)

Der Dalai Lama hat das Gesprächsangebot der chinesischen Regierung begrüßt, sagte Tenzin Takla, ein Sprecher des Dalai Lama, am Freitag in Neu-Delhi. Dies sei "ein Schritt in die richtige Richtung", weil nur direkte Treffen zu einer Lösung der Tibet-Frage führen könnten, fügte er hinzu.

Offiziell habe man zwar noch keine Einladung der chinesischen Seite erhalten. Der Dalai Lama sei aber der Lösung des Tibet-Themas verpflichtet. "Und der einzige Weg, die tibetischen Probleme zu lösen, ist durch Gespräche mit den chinesischen Vertretern von Angesicht zu Angesicht und dadurch, die Beschwerden des tibetischen Volkes anzugehen", sagte der Sprecher des Dalai Lama.

Bedingung: Separatistische Aktivitäten beenden

Die chinesische Regierung hat wiederholt Bitten des Dalai Lama um eine Wiederaufnahme des Dialogs erhalten, sagte der chinesische Regierungsvertreter der Agentur. "Daher wird die zuständige Abteilung der Zentralregierung Beratungen mit dem privaten Repräsentanten des geistlichen Oberhaupts beginnen." Chinas Regierung hoffe, dass der Dalai Lama glaubwürdige Schritte machen werde, separatistische Aktivitäten zu beenden. Er müsse auch aufhören, "zu Gewalt anzustiften" und "die Olympischen Spiele zu stören oder zu sabotieren", um die Bedingungen für die Gespräche zu schaffen, sagte der Beamte. Der Dalai Lama hat erklärt, er strebe eine größere Autonomie für Tibet an, aber keine Unabhängigkeit.

Mit einem Dialog würde China einen Kurswechsel im Tibet-Konflikt einleiten, in dem es trotz internationalen Drucks direkte Kontakte mit der Exil-Regierung bislang abgelehnt hat. Die überraschende Ankündigung kam sechs Wochen nach Ausbruch der Unruhen in Tibet und in anderen tibetisch bewohnten Regionen in den Nachbarprovinzen. Kurz vor der Xinhua-Meldung hatte sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach Gesprächen mit Regierungschef Wen Jiabao in Peking optimistisch gezeigt, dass es in der Tibetfrage "bald eine positive Entwicklung" gebe.

Steinmeier begrüßt Schritt Pekings

Die Bundesregierung hat positiv auf die chinesische Ankündigung eines Dialogs im Tibet-Konflikt reagiert. "Wir hoffen sehr, dass dieser Schritt zu einer Konfliktlösung beitragen kann", sagte Martin Jäger, Sprecher des Auswärtigen Amtes. Berlin sei von der Volksrepublik vorab über die Entscheidung informiert worden, mit einem Vertreter des tibetischen Oberhaupts Gespräche aufzunehmen. "Wir freuen uns, wenn die Regierung in Peking einen solchen Schritt ankündigt", sagte Jäger.

Auch Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), begrüßte das Dialog-Angebot der chinesischen Olympia-Gastgeber an Vertreter des Dalai Lama. "Das ist genau der richtige Weg, um mit diesen Problemen umzugehen. Die olympische Idee ist doch friedlicher Dialog", sagte Vesper der dpa.

Seit 2002 hat es bereits sechs Dialogrunden zwischen Vertretern des Dalai Lama und der chinesischen Regierung gegeben. Es wurden aber keine greifbaren Fortschritte erzielt. Die letzte Runde war im Juni 2007.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie unabhängige Beobachter die bisherigen Beratungen zwischen Peking und den Vertretern des Dalai Lama einschätzen.

Unabhängige Quellen, die mit dem bisherigen Gesprächsverlauf vertraut sind, hegen den Verdacht, dass Chinas Regierung die Treffen vor allem dazu benutzt habe, nach außen Gesprächsbereitschaft zu zeigen, um Kritiker zu besänftigen und Zeit zu gewinnen. Aus Sicht des Unterhändlers Lodi Gyaltsen Gyari schienen seine chinesischen Gesprächspartner nicht ernsthaft bei der Sache.

Die Probleme in dem größten Hochland der Erde sind mehr als fünf Jahrzehnte nach der Invasion der Volksbefreiungsarmee höchst kompliziert und selbst mit gutem Willen nicht einfach zu lösen. So wollte Peking in dem Dialog bisher bestätigt wissen, dass Tibet "schon immer" zu China gehört hat. Die tibetischen Unterhändler wollen das allenfalls auf die Gegenwart beziehen. Aus ihrer Sicht müsste auch jede vereinbarte Autonomie für alle Tibeter gelten. Die leben heute aber nicht nur in der Autonomen Region Tibet, sondern auch in den Nachbarprovinzen Gansu, Sichuan und Qinghai, weil China das alte tibetische Territorium aufgeteilt hatte.

Autonomie steht auch dem Machtanspruch Chinas entgegen, was vielfach als Grund dafür angesehen wird, warum der Dialog bisher ins Leere gelaufen ist. Beobachter gehen davon aus, dass Peking nach dem Ableben des heute 72-jährigen Dalai Lama wie beim Pantschen Lama, dem zweithöchsten religiösen Führer, eine eigene Wiedergeburt des Oberhauptes des tibetischen Buddhismus aussuchen und in seine Dienste stellen will. Eine solche Reinkarnation fände allerdings keinerlei Respekt unter den tiefgläubigen Tibetern - so wie es dem 18-jährigen Pantschen Lama heute schon ergeht.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP/Reuters/mati/bavo/mkf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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