Terrorverdacht in Frankfurt:Die Unsicherheit wächst

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Nach einem Bombenfund wird das internationale Radrennen abgesagt. Ein Ehepaar wurde festgenommen. Behörden fahnden nach Komplizen.

Von Susanne Höll, Frankfurt

In Deutschland ist zum dritten Mal in diesem Jahr eine Großveranstaltung aus Angst vor einem Terroranschlag ausgefallen. Die traditionelle Radrundfahrt um Frankfurt, einst bekannt als Tour "Rund um den Henninger-Turm" wurde auf Rat der Sicherheitsbehörden nach einer spektakulären Festnahme zweier Terror-Verdächtiger abgesagt.

Es handelt sich um einen 35 Jahre alten Deutsch-Türken aus Oberursel und seine Frau, die offenbar ein Bombenattentat im Rhein-Main-Gebiet planten. Ob der Verdächtige tatsächlich einen Anschlag auf das Radrennen vorhatte, ist zwar noch unklar, gewiss ist aber, dass der Mann eine Bombe gebaut und sich Zutaten zur Sprengstoffherstellung besorgt hatte.

Der Mann, der seit etwa zwei Wochen von der Polizei beobachtet wird, hatte sich in den vergangenen Tagen an einigen Stellen der Rennstrecke aufgehalten. Etliche Polizeimannschaften kontrollierten inzwischen die Route, gefährliche Gegenstände wurden bislang nicht gefunden. Am Freitag durchkämmten Beamte ein Waldstück im Nordosten Frankfurts.

In Sicherheitskreisen hieß es, eine Absage sei geboten gewesen, weil nicht klar war, ob er Komplizen gehabt habe. Darauf gibt es aber bisher keine Hinweise, der 35-Jährige könnte ebenso gut ein fanatisierter Einzeltäter sein.

Sprengstoffexperten und Beamte der Spurensicherung arbeiten in der Wohnung der Festgenommenen in Oberursel bei Frankfurt. (Foto: Boris Roessler/dpa)

In diesem Frühjahr war bereits nach Warnungen in Braunschweig ein Karnevalsumzug gestrichen worden, in Dresden musste eine Pegida-Demonstration abgesagt werden. In Bremen hatte die Polizei nach einer Terror-Razzia die Sicherheitsvorkehrungen massiv verstärkt. Dies hatte zu etlicher scharfer Kritik und heftigen Debatten über die Frage geführt, ob die Sicherheitsbehörden jeweils überreagiert hätten.

In Hessen hatten sich die Fahnder am vergangenen Mittwoch dazu entschlossen, das Ehepaar festzunehmen aus Sorge vor einer Attacke am Maifeiertag. In der Wohnung der beiden, in der auch deren zwei kleine Kinder lebten, fanden die Fahnder in den frühen Stunden des Donnerstages ein Waffenarsenal: eine funktionsfähige Rohrbombe, Teile eines Sturmgewehres, ein Übungsgeschoss für eine Panzerfaust, 100 Schuss scharfe Munition, drei Liter Wasserstoffperoxid, das zur Sprengstoffherstellung dient und weitere verdächtige Chemikalien. Die Kinder sind nun in der Obhut des Jugendamts. Das Wasserstoffperoxid, mit dem schon die später verurteilte sogenannte Sauerland-Gruppe vor einigen Jahren Bomben bauen wollte, hatten der Mann und seine türkische Ehefrau am 30. März in einem Frankfurter Baumarkt erstanden. In kleinen Mengen dient die Chemikalie etwa zur Algenentfernung in Schwimmbecken. Wer aber drei Liter kauft, macht sich verdächtig. Eine umsichtige Verkäuferin verständigte die Sicherheitsbehörden, die den Mann ausfindig machten.

Der Verdächtige ist nach Auskunft der Frankfurter Staatsanwaltschaft bereits 15-mal wegen unterschiedlicher Delikte aktenkundig. Die Vorwürfe lauteten demnach auf Körperverletzung, Bedrohung, Einbruch und Verstoß gegen das Waffengesetz. Angeblich soll er auch Kontakte in die radikale salafistische Szene gehabt haben, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet, einem Zentrum radikaler Islamisten in Deutschland. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen etwa 70 Salafisten, meistens geht es um deren Ausreise als Kämpfer im Syrien-Krieg.

Die Ermittler gehen auch dem Verdacht nach, dass der Mann Verbindung zu zumindest einem der vier Mitglieder der Sauerland-Gruppe hatte. Das Quartett war im September 2007 festgenommen und zu jeweils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags und Verabredung zum Mord. In der Wohnung des verdächtigen Oberurselers wurden religiöse Schriften gefunden, die laut Ermittlungsbehörde zumindest auf eine sehr konservative islamische Orientierung hindeuten.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) und der Chef der Frankfurter Staatsanwaltschaft zeigten sich überzeugt davon, dass mit der Festnahme des Mannes zumindest ein weiteres terroristisches Attentat in Deutschland habe vereitelt werden können. Der Bundesrepublik ist ein groß angelegter Anschlag fundamentalistischer Radikaler bisher erspart geblieben. Die geplante Attacke der Sauerland-Gruppe etwa wurde den Sicherheitsbehörden durch Hinweise ausländischer Geheimdienste rechtzeitig bekannt, die vier konnten ihre Absicht nicht in die Tat umsetzen.

Der bislang einzige Anschlag eines Radikal-Islamisten mit Todesopfern hatte sich 2011 am Frankfurter Flughafen ereignet. Ein damals 21 Jahre alter Kosovo-Albaner tötete zwei US-Soldaten und verletzte zwei andere schwer. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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