Terror-Prozess:Mutmaßlicher Terrorhelfer Mzoudi bleibt in Haft

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Das Oberlandesgericht in Hamburg hat den Antrag der Verteidigung auf Freilassung des Angeklagten abgelehnt. Die Richter halten den Marokkaner weiter für dringend verdächtig, die Todespiloten um Mohammed Atta unterstützt zu haben.

Von Ralf Wiegand und Helmut Kerscher

(SZ vom 30.10.2003) Der mutmaßliche Terrorhelfer Abdelghani Mzoudi bleibt in Haft. Die 3. Senatskammer des Oberlandesgerichtes Hamburg wies am Mittwoch den Antrag der Verteidigung auf Aufhebung des Haftbefehls ab. Für das Gericht um den Vorsitzenden Klaus Rühle ist der 30-jährige Marokkaner Mzoudi nach wie vor dringend verdächtig, die Todespiloten um Mohammed Atta unterstützt zu haben; außerdem bestehe Fluchtgefahr.

Mzoudis Verteidiger hatten ihren Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft im Anschluss an die Zeugenvernehmung von Heinz Fromm gestellt. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte dem Gericht erklärt - wie auch zuvor schon in einem Interview der Süddeutschen Zeitung -, dass nach Erkenntnissen seiner Behörde die Anschläge vom 11. September 2001 nicht in Hamburg, sondern in Afghanistan geplant worden seien.

Enger Kontakt zu den Todespiloten

Erst dort und frühestens von Dezember 1999 an seien die aus Hamburg stammenden Todespiloten, mit denen Mzoudi zusammengelebt hatte und die er unterstützt haben soll, in die Pläne eingeweiht worden, das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington anzugreifen. Die Verteidigung schloss daraus, ihr Mandant sei in diese Pläne nicht frühzeitig eingeweiht gewesen, wie die Bundesstaatsanwaltschaft in ihrer Anklage behaupte.

Der Angeklagte habe die ihm vorgeworfenen Taten "höchstwahrscheinlich zu verantworten", sagte der Vorsitzende Richter Klaus Rühle in der Begründung des Gerichts, den Antrag abzulehnen. Nach Auswertung aller Zeugenaussagen sei klar, dass Mzoudi jahrelang engen Kontakt zu den späteren Todespiloten hatte und deren zunehmende Radikalisierung bis hin zu einer "anti-amerikanischen, anti-jüdischen Gruppe befürwortete und unterstützte". Die Aussage des Verfassungsschützers Fromm stehe dem nichts entgegen.

Hemberger: Dschihad schon 1999 geplant

Zudem beziehe sich die Anklage - unter anderem Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen - auf den Tatzeitpunkt 2000, nicht auf das Jahr 1999. So sah das auch die Bundesstaatsanwaltschaft, die die Verteidiger Mzoudis am Mittwoch scharf kritisierte. "Ich bin erstaunt, dass Sie ihren Antrag nicht im Gericht, wohl aber in der Presse begründen konnten", warf Bundesanwalt Walter Hemberger den Anwälten Mzoudis, Gül Pinar und Michael Rosenthal, vor.

Hemberger, unter Druck geraten durch Fromms Aussage und den Spiegel-Bericht vom Montag, der ebenfalls Afghanistan als einziges Zentrum der 9/11-Planungen ausweist, sagte: "Dass die Gesamtkonzeption in Afghanistan entstanden ist, stand nie in Zweifel." Ebenso wenig sei aber strittig, dass die Hamburger Gruppe bereits vom Frühjahr 1999 an den Entschluss gefasst habe, sich aktiv am Dschihad zu beteiligen. Das hatte auch Fromm bestätigt.

Deutlich wird nun, dass das Gericht zunehmend darunter leidet, nicht alle Erkenntnisse zum 11. September nutzen zu können. Nach wie vor werden ihm die Aussagen der in den USA inhaftierten Chefplaner Khalid Sheik Mohammed und Ramzi Bin al-Schibb vorenthalten. Auch Verfassungsschützer Fromm hatte nur eine sehr eng gefasste Aussagegenehmigung vom Innenministerium bekommen und durfte lediglich aus bereits bekannten Quellen zitieren.

Bundesanwalt: Geständnis-Protokolle mit Vorsicht zu genießen

Den Inhalt dieser "Geständnis-Protokolle" kennt auch die Bundesanwaltschaft nach eigenen Angaben nicht. Das Wissen der Behörde über die Vorbereitung der Anschläge in den USA stehe in den Anklageschriften gegen Mzoudi sowie den bereits verurteilten Mounir el Motassadeq, sagte die Sprecherin von Generalbundesanwalt Kay Nehm, Frauke-Katrin Scheuten, der SZ.

Nach Darstellung der Anklagebehörde wurden ihr zwar "in einem sehr frühen Stadium" Zusammenfassungen von Befragungen durch Amerikaner übergeben. Diese seien jedoch nach einer ersten Beurteilung zurückgegeben worden. Die weitere Entgegennahme solcher Papiere habe man abgelehnt, weil die Berichte auf Grund eines US-Vetos und einer Sperrerklärung der Bundesregierung im Verfahren nicht verwertet werden durften.

Die jüngst publizierten Angaben sollten nicht überbewertet werden. Abgesehen davon, dass die Rahmenbedingungen ihrer Entstehung im Dunkeln blieben und rechtsstaatlichen Zweifeln ausgesetzt sein könnten, seien die veröffentlichten Zusammenfassungen erkennbar lückenhaft. Die Vorgeschichte in Hamburg werde nicht behandelt. Zudem seien die angeblichen Äußerungen "mit großer Vorsicht zu genießen". Es gebe bekanntlich klare Anweisungen der al-Qaida, wie sich verhaftete Personen zu verhalten hätten.

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