Terror in Mumbai:Attentäter halten immer noch Geiseln fest

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Dutzende Geiseln sind aus dem Hotel Oberoi befreit worden, darunter Mitarbeiter der Lufthansa und des Auswärtigen Amts. Doch im Taj-Mahal-Hotel hat ein Terrorist noch zwei Menschen in seiner Gewalt, dort wurden auch 30 Leichen entdeckt. Im jüdischen Zentrum hält der Kampf um die Geiseln an.

Am dritten Tag der Terrorwelle in der indischen Finanzmetropole Bombay haben sich noch immer Attentäter verschanzt. Allerdings erklärte Generalleutnant N. Thamburaj am Freitag, der Antiterroreinsatz stehe kurz vor dem Abschluss. Die Suche nach den restlichen Kämpfern, die noch immer in zwei Luxushotels und einem jüdischen Zentrum vermutet wurden, sollte in einigen Stunden abgeschlossen sein.

Jubel für die Befreier

Zahlreiche ausländische Gefangene konnten aus dem Luxushotel Oberoi befreit werden. Unter den Geretteten waren rund 20 westliche Mitarbeiter von Fluggesellschaften, darunter auch der Lufthansa. Sie wurden in Bussen vom Oberoi-Hotel weggebracht. Zuvor waren bereits etwa zwei Dutzend Menschen aus dem Gebäude gerettet worden. Elite-Einheiten mit geschwärzten Gesichtern waren unter dem Jubel einer großen Menschenmenge in das Hotel eingedrungen. Aus einer oberen Etage schlugen riesige Flammen.

Nach Angaben der indischen Polizei wurden mindestens 93 Menschen aus dem Oberoi Trident befreit. Dort waren bislang noch 30 Menschen als Geiseln gehalten worden, mehr als hundert Hotelgäste waren in ihren Zimmern festgesessen. Die meisten der Befreiten seien Ausländer. Ein Fotograf vor Ort berichtete, die Gäste verließen nach einem Einsatz von Polizei und Armee das Hotel und würden von Polizisten zu Minibussen gebracht, die sie fortbrächten. Einer der Gäste hielt ein Baby auf dem Arm. Nur einige der befreiten Hotelgäste hätten Taschen oder Koffer bei sich getragen.

30 Leichen im Taj Mahal

Zur gleichen Zeit griffen indische Spezialeinheiten ein jüdisches Zentrum an, in dem sich mutmaßlich muslimische Extremisten mit mehreren Geiseln verschanzt haben sollen. Im Hotel Taj Mahal fand eine weitere Durchsuchungsaktion statt, bei der nach Angaben der Times of India 30 Leichen entdeckt wurden. Bei der am Mittwochabend begonnenen koordinierten Angriffswelle mehrerer Gruppen schwer bewaffneter Männer sind mindestens 119 Menschen getötet worden. Mumbais Polizeichef Hassan Gafoor gab die Zahl der Todesopfer mit 130 an. Unter den Toten war auch ein deutscher Geschäftsmann. Mindesten 320 Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt.

Unter den befreiten Geiseln befinden sich auch sieben Mitarbeiter der Deutschen Lufthansa. Sie konnten das belagerte Hotel Oberoi verlassen, wie Firmensprecher Thomas Jachnow in Frankfurt sagte. "Darüber sind wir sehr, sehr glücklich." Das Unternehmen war nach seinen Angaben in ständigem Kontakt mit den Angestellten. Es sei zwar eine extreme Belastung gewesen, jedoch sei es ihnen den Umständen entsprechend gut gegangen, sagte Jachnow.

"Er läuft hin und her"

Unklar ist, ob die Deutschen als Geiseln festgehalten worden waren, oder ob sie sich in Zimmern des Hotels verschanzt hatten. Die Sprecherin sagte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Deutsche unter den Betroffenen sind. "Die Lage ist weiterhin unübersichtlich."

In dem zweiten belagerten Luxushotel, dem Taj Mahal, hielt mindestens ein bewaffneter Islamist immer noch mindestens zwei Geiseln in seiner Gewalt, wie ein Armeesprecher mitteilte. "Es gibt Kontakt zu einem Terroristen. Er läuft zwischen zwei Etagen hin und her", sagte S. Thamburaj vor dem Hotel.

"Wir haben die Geräusche von einer Frau und einem Mann gehört, was heißt, dass er zwei oder mehr Geiseln bei sich hat." Bei einem Schusswechsel am Donnerstagabend seien zwei Angreifer getötet worden. "Inzwischen sind fast alle Gäste und Mitarbeiter des Hotels in Sicherheit gebracht worden". Kurz nach den Worten des Sprechers waren erneut Schüsse aus dem Hotelinneren zu hören.

Kommandotrupps stürmten währenddessen unter dem stetigen Feuerschutz von Scharfschützen das fünfstöckige Zentrum einer jüdischen Organisation, in dem sich Extremisten wahrscheinlich mit mehreren Geiseln verschanzt hatten. Soldaten seilten sich von einem Hubschrauber ab und begannen damit, von Zimmer zu Zimmer, von Etage zu Etage das Gebäude zu durchkämmen.

Angreifer kannten sich gut aus

Die mutmaßlich muslimischen Extremisten hatten nach Augenzeugenberichten aus den besetzten Hotels vor allem Amerikaner, Briten und Juden im Visier. Getötet wurden zum überwiegenden Teil Inder und Ausländer - Menschen, die in den Kugelhagel und die Handgranatenexplosionen gerieten. Die Angreifer waren nach Polizeidarstellung mit AK-47-Sturmgewehren und Handgranaten bewaffnet und kannten sich in dem Viertel sehr gut aus.

Bei dem Sturmangriff der indischen Spezialeinheiten auf das Zentrum der jüdischen Organisation Chabad Lubavitch waren im südlichen Bombay auch bizarre Szenen dieser Art zu beobachten: Hunderte von Schaulustigen beobachteten das Geschehen, viele mit Ferngläsern, etliche kletterten sogar auf Dächer. Über das Schicksal der möglichen Geiseln in dem Zentrum wurde zunächst nichts bekannt.

An der Aktienbörse im Bombay wurde am Freitagmorgen wieder gehandelt, nachdem die Finanzmärkte des Landes am Donnerstag geschlossen hatten. Der indische Leitindex gab im frühen Handel leicht um 0,5 Prozent nach.

© sueddeutsche.de/AP/Reuters/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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