Tarifstreit:"Möllring ist eine absolute Fehlbesetzung"

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Rudolf Hickel hat selbst schon Tarifstreitigkeiten geschlichtet. Jetzt wirft er dem aktuellen Verhandlungsführer der Länder vor, tariffreie Zonen schaffen zu wollen.

Thorsten Denkler

Rudolf Hickel ist Direktor des lnstituts für Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen und Mitbegründer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Hickel war Anfang und Mitte der neunziger Jahre selbst als Schlichter in den Tarifstreits der Metallindustrie in Ostdeutschland im Einsatz.

Rudolf Hickel ist Direktor des lnstituts für Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Hickel, die Kommunen in Baden-Württemberg wollen eine Schlichtung. Auf Länderebene wird darüber noch kontrovers diskutiert. Hätte eine Schlichtung nach so langem Streik und so vielen gescheiterten Verhandlungsrunden noch Sinn?

Rudolf Hickel: Wir brauchen ganz sicher eine Schlichtung auch auf Länderebene. Beide Parteien sollten ihre Argumente noch einmal moderiert austauschen. Der Schlichter kann dann neue Kompromisswege anstoßen. Wichtig ist, dass es am Ende keinen Sieger und keinen Verlierer gibt. Aber es besteht natürlich immer das Risiko, dass eine Schlichtung scheitert.

sueddeutsche.de: Wird eine Schlichtung in diesem Konflikt funktionieren?

Hickel: Da bin ich skeptisch. Zu einer Schlichtung gehört immer, dass die Parteien zu einem Kompromiss bereit sind. Das aber ist auf der Länderebene überhaupt nicht gegeben. Die Tarifgemeinschaft der Länder will gar nicht zu einem Ergebnis kommen. Ihr Verhandlungsführer Hartmut Möllring, der Finanzminister von Niedersachsen, will offensichtlich keine Schlichtung, sondern tariffreie Zonen. Unter diesen Voraussetzungen macht eine Schlichtung keinen Sinn.

sueddeutsche.de: Möllring trägt mehr zum Problem als zur Lösung bei?

Hickel: Möllring ist eine absolute Fehlbesetzung. Er will das Tarifvertragssystem aushebeln. Ihn auszuwechseln ist jetzt, kurz vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, kaum möglich. Aber vernünftig wäre es.

sueddeutsche.de: Spricht Möllring überhaupt noch für alle Länder in der Tarifgemeinschaft?

Hickel: In der Tarifgemeinschaft der Länder wird im Moment klar Parteipolitik betrieben. Möllring wird geschützt von seinen Parteikollegen in den Ländern. Aber ich kann mir vorstellen, dass mit dem Schlichtungsverfahren auf kommunaler Ebene der Druck jetzt zunimmt, dass die Bereitschaft unter den unionsgeführten Ländern zunimmt, sich zu bewegen.

sueddeutsche.de: Spielt die Zeit jetzt für Verdi und gegen die Länder?

Hickel: Das ist schwierig zu sagen. In der Öffentlichkeit bröckelt die anfängliche Zustimmung zum Streik. Vor allem dort, wo die Auswirkungen für die Menschen direkt spürbar sind.

sueddeutsche.de: Es ist jetzt schon der längste Streik, den das Land je erlebt hat. Selbst der berühmte Kluncker-Streik 1974 war kürzer. Wann ist für Verdi das Ende der Fahnenstange erreicht?

Hickel: Wichtiger als die Länge sind die Inhalte. Bei Kluncker ging es um Lohnforderungen von über elf Prozent. Jetzt geht es um eine Arbeitszeitverlängerung. Der Streik wird schon deshalb so lange weiter gehen, bis es zu einem Kompromiss kommt.

sueddeutsche.de: Das kann noch ewig dauern.

Hickel: Nicht unbedingt. Es gibt ja Lösungsvorschläge. In Hamburg gibt es auf kommunaler Ebene den Vorschlag, bei der Länge der Arbeitszeit Kinder und Entgeldgruppe zu berücksichtigen. In Baden-Württemberg könnte eine Arbeitszeitverlängerung mit einem zusätzlichen Tag Weiterbildung kombiniert werden. Ein Kompromiss auf Länderebene ist also durchaus möglich. Aber nur, wenn die Hardliner zu erkennen geben, dass sie nicht das ganze Tarifvertragssystem zerschmettern wollen.

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