Tarife:Beamtensold soll Schule machen

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Ein Viertel der Lehrer in Deutschland sind nur angestellt - und wollen endlich den gleichen Lohn bekommen wie die Kollegen.

Von Jan Bielicki, München

Trotz des Tarifabschlusses für die Beschäftigten der Bundesländer könnten Lehrer an den Schulen einiger Länder bald wieder streiken. Wohl noch vor den Sommerferien will die Bildungsgewerkschaft GEW ihre Mitglieder erneut zu Aktionen aufrufen.

Worum geht es bei diesem Tarifstreit?

Eigentlich hatten sich die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft der Länder am Samstag in Potsdam darauf geeinigt, die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder kräftig ansteigen zu lassen. Diese Tariferhöhung gilt auch für die angestellten Lehrer an den Schulen - und diesem Ergebnis hat die GEW auch zugestimmt. Zusätzlich aber geht es ihr darum, die Einkünfte der angestellten Lehrer an die ihrer beamteten Kollegen anzugleichen. Das Verhandlungsergebnis vom Wochenende sieht vor, dass die angestellten Lehrer eine Zulage von monatlich 30 Euro bekommen sollen. Das aber ist der GEW zu wenig. Sie will den Ländern eine sogenannte Lehrkräfte-Entgeltverordnung abringen, im Tarifdeutsch: L-Ego. In diesem tarifvertraglichen Bauklötzchen soll nach Willen der GEW festgeschrieben sein, dass angestellte Lehrer in Entgeltgruppen eingestuft werden, die den Besoldungsgruppen ihrer beamteten Kollegen entsprechen. Durchsetzen konnte sich die GEW damit in den Tarifverhandlungen jedoch nicht. Die Bundesländer beharrten darauf, die Kosten einer solchen Angleichung - immerhin etwa 300 Millionen Euro jährlich - nicht aufbringen zu können.

Um wie viele Lehrer geht es?

Insgesamt sind an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen etwa 840 000 Lehrer beschäftigt, 640 000 von ihnen sind Beamte, knapp 200 000 nur angestellt - und um deren Bezahlung geht es.

Warum gibt es überhaupt so viele angestellte Lehrer? Wer zu alt ist, zu krank oder zu dick, darf nicht Staatsdiener auf Lebenszeit werden. Allerdings trifft das nur auf eine Minderheit der Lehrer zu, denen der Beamtenstatus verwehrt bleibt. Es ist vor allem eine politische Entscheidung der Länder, angehende Pädagogen verbeamten zu wollen oder eben nicht ( siehe Grafik). An den Schulen westlicher Bundesländer sind die weitaus meisten Lehrer Beamte. Dagegen stellten die neuen Länder - unbelastet von der Beamtentradition Westdeutschlands - ihre Lehrer lange Zeit nur an. Wer in Berlin oder Sachsen an einer Schule anfängt, kann bis heute nicht mit einer Verbeamtung rechnen, sofern er nicht in die Schulleitung aufsteigt. Mecklenburg-Vorpommern bietet Neu-Lehrern dagegen seit vergangenem Jahr auf Antrag den Beamtenstatus an - aus Furcht vor Lehrermangel, schließlich locken andere Bundesländer die Bewerber mit Beamtenstellen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ausgangsbasis Mitte 2013, wie in der Grafik dargestellt: Die Beamten lassen sich an zwei Händen abzählen.

Um wie viel stehen beamtete Lehrer besser da als ihre angestellten Kollegen?

Das hängt sehr davon ab, in welchem Land und an welcher Schule sie beschäftigt sind. So lag nach GEW-Angaben das Einstiegsgehalt eines Studienrats, eines Beamten also, an einem bayerischen Gymnasium im vergangenen Jahr bei 2965 Euro netto, das eines in Sachsen angestellten Grundschullehrers bei 1934 Euro. Die Gewerkschaft rechnet damit, dass die von ihr geforderte Gehaltsangleichung jedem angestellten Lehrer je nach Stellung und Dienstalter 100 bis 400 Euro monatlich mehr einbringen würde. Nicht eingerechnet sind Privilegien der Beamten, die Unkündbarkeit etwa, Familienzuschläge oder die Pension.

Sind die Lehrer-Gewerkschaften einig in ihrem Kampf?

Nein, im Gegenteil. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE), der die Lehrer innerhalb des Beamtenbunds organisiert, akzeptiert den Tarifabschluss von Potsdam. "Damit haben wir zum ersten Mal einen Erfolg in unserem Bemühen um eine Entgeltverordnung für Lehrer verbuchen können", sagte der stellvertretende VBE-Chef Jens Weichelt der Süddeutschen Zeitung. Zwar sei "das nicht der große Wurf", räumte er ein, aber die Gewerkschaftskonkurrenz von der GEW stehe nach ihrer Ablehnung nun ganz "mit leeren Händen da". Die GEW wiederum warf dem Beamtenbund vor, er sei "uns in den Rücken gefallen". Gemeinsam mit ihm werde man "auf alle Fälle nicht mehr" an die Sache herangehen.

Wo ist mit Streiks zu rechnen?

Nur angestellte Lehrer dürfen streiken, und ihre Aktionen zeigen nur dort Wirkung, wo es viele von ihnen gibt. Am wahrscheinlichsten sind Ausstände daher an den Schulen Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens, Sachsen-Anhalts, Thüringens und Berlins.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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