Tagebuch (1): Mit Merkel durch Lateinamerika:Ein Underberg für Angela

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Eine Woche lang ist die Kanzlerin in Lateinamerika unterwegs. Begleitet wird sie von Wirtschaftsdelegierten - und Nico Fried. Für sueddeutsche.de schreibt der Leiter des SZ-Parlamentsbüros in Berlin seine Reiseeindrücke auf.

Nico Fried

1. Tag. Dienstag. Flug von Berlin nach Brasilia mit Zwischenstopp auf den Kapverdischen Inseln. Gesamtreisezeit: 14 Stunden. Ankunft Brasilia: 21 Uhr Ortszeit, zwei Uhr Mittwochmorgen deutscher Zeit. Wetter in Brasilia: Klarer Himmel, 17 Grad. Stimmung der Kanzlerin: aufgeräumt.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft am Flughafen von Brasilia. (Foto: Foto: AFP)

Dr. Franz Ruder-Underberg trägt dunkles, glattes Haar, eine leuchtend grüne Fliege und sieht aus wie der frühere Forschungsminister Heinz Riesenhuber. Nur jünger. Dr. Ruder-Underberg ist Geschäftsführer der Underberg KG und gehört zur Wirtschaftsdelegation, die Angela Merkel auf ihrer ersten Reise als Bundeskanzlerin nach Lateinamerika begleitet. Elf Leute aus der Wirtschaft sind das insgesamt, zwölf Fläschchen Underberg hat Herr Ruder-Underberg in einer Packung, sodass es auf dem Weg nach Brasilien, der ersten Station der einwöchigen Kanzlerreise, nach dem Mittagessen an Bord des Regierungs-Airbus locker für jeden aus der Wirtschaftsdelegation zu einem Magenbitter reicht.

Später kommt auch die Kanzlerin nach hinten, wo ihr Begleittross sitzt. Für sie hat Herr Ruder-Underberg einen eigenen kompletten Zwölfer-Pack aufgehoben, den er Angela Merkel stürmisch überreicht. Die Kanzlerin nimmt das Geschenk zwar lächelnd entgegen, reicht es aber gleich an den Protokollchef weiter, vielleicht weil sie nicht weiß, ob zwölf Fläschchen Underberg schon als Bestechung gelten. Im Laderaum des Flugzeugs warten noch weitere 360 Fläschchen, alle in Zwölfer-Packs, die meisten davon will Herr Ruder-Underberg aber in Lateinamerika verteilen.

An Dr. Ruder-Underberg kann man erzählen, warum so eine Wirtschaftsdelegation eigentlich mitfliegt, wenn die Kanzlerin auf Reisen geht. Bei den Großen, bei Siemens oder BASF liegt das auf der Hand, dicke Verträge werden da abgeschlossen über große Kraftwerke oder moderne Fabriken. Der Erfolg der Firmen lässt die Kanzlerin als Helferin der Wirtschaft strahlen und die Gegenwart der Kanzlerin verleiht den Firmen Glanz. So haben alle was davon.

Aber Underberg?

Mexiko, Kolumbien, Peru, lauter neue Märkte, klar. Nur an den Flughäfen gibt es dort manchmal schon den Magenbitter aus Deutschland, erzählt Herr Ruder-Underberg, der auch bei der Zwischenlandung auf den Kapverden den Duty-Free-Shop inspiziert (kein Underberg) und sehr schön erläutern kann, wie die Bitterstoffe aus seinem Kräuterschnaps über Rezeptoren auf dem Zungenrücken den Gallenfluss stimulieren.

In Brasilien gibt es schon lange Underberg. Er wird sogar dort hergestellt, allerdings in großen Flaschen und mit einer anderen Rezeptur. Seit einiger Zeit verkauft Herr Ruder-Underberg auch die kleinen Flaschen mit deutschem Underberg in Brasilien. Weil es aber nicht zwei unterschiedliche Underberg geben kann, heißt der brasilianische Underberg jetzt Brasilberg. So ein Namenswechsel bei einer Marke kann gefährlich sein, sagt Herr Ruder-Underberg. Hat aber geklappt.

Das Problem ist nur - und jetzt kommt die Politik ins Spiel -, dass die kleinen Fläschchen aus Deutschland in Brasilien eine Steuerbanderole brauchen. Diese Banderole darf aber in Deutschland nicht angebracht werden, sondern erst in Brasilien, was für Herrn Ruder-Underberg bedeutet, dass er seine Fläschchen für Brasilien in Deutschland verpacken lässt, aber nicht ganz, weil sie in Brasilien nochmal ausgepackt werden, bevor sie mit der Steuerbanderole endgültig eingepackt werden. Das kostet Zeit und Geld. Herrn Ruder-Underberg wäre es lieber, die Brasilianer würden ihm gestatten, die Banderolen in Brasilien zu kaufen, aber in Deutschland anzubringen. Dann müssten die Fläschchen nur einmal verpackt werden.

Genau diesen Wunsch wird er seinen Gesprächspartnern vortragen. Und natürlich ist es dabei etwas anderes, wenn Herr Ruder-Underberg als Teil der Delegation der deutschen Bundeskanzlerin mit den Brasilianern spricht, als wenn er ganz alleine wegen der Banderole nach Brasilien geflogen wäre. Jedenfalls hofft Herr Roder-Underberg das. Vielleicht machen Merkel und Präsident Lula die Banderolen ja sogar zur Chefsache. So funktioniert das mit einer Wirtschaftsdelegation. Und man kennt nun zu Beginn der Reise mindestens ein Projekt, an dem man den Erfolg der Kanzlerin am Ende der Reise in einer Woche ganz konkret messen kann.

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