SZ-Portrait:Der Organisator des Terrors

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Der Ägypter Aiman al-Zawahiri gilt als rechte Hand Osama bin Ladens und wird als sein Nachfolger gehandelt

Heiko Flottau

(SZ vom 22.9.2001) - In Ägypten haben sie schon vor Jahren einen Waffenstillstand verkündet. Es war 1997, als die radikalen Vertreter des Islam, versammelt in der Organisation Gamaa Islamiya - Islamische Gruppe - verkündeten, dass sie den bewaffneten Kampf gegen die Regierung und gegen die Tourismusindustrie einstellen würden.

Es war keine große Tat, die sie damit vollbrachten. Denn der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hatte seine Sicherheitskräfte beauftragt, mit aller zur Verfügung stehenden Gewalt gegen die Terroristen vorzugehen.

Der Waffenstillstand hielt zwar nicht ganz, doch die Regierung trug zumindest einen militärischen Sieg davon. Der von der Gamaa Islamiya ausgerufene Waffenstillstand traf auf die Skepsis einer anderen, radikaleren Gruppe - des Islamischen Dschihad (Islamischer Heiliger Krieg).

Ein Mann aber hat selbst die ideologischen Grenzen dieser extremistischen Gruppe gesprengt. Der Ägypter Aiman al-Zawahiri. Er nahm viele Jahre lang eine führende Position im ägyptischen Dschihad ein. Seine extreme Ideologie war internationalistisch geprägt.

Hauptfeind sind die USA

Wie der Moslemextremist Osama bin Laden, den die USA für die Anschläge von New York und Washington verantwortlich machen, sieht al-Zawahiri den Hauptfeind des Islam in den Vereinigten Staaten. Der ägyptische Dschihad wollte dagegen in erster Linie das Regime Hosni Mubaraks bekämpfen.

Nach der Ermordung von Präsident Anwar el-Sadat am 6.Oktober 1981 saß al-Zawahiri Jahre lang in ägyptischen Gefängnissen, weil er verdächtigt wurde, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein.

Vermutlich ging er bereits 1994, dem Jahr seiner Entlassung, nach Afghanistan. 1997 eröffnete er ein Rekrutierungsbüro in der pakistanischen Stadt Peschawar. Offenbar wollte er für Osama bin Ladens Terrornetzwerk neue Mitglieder werben. Gleichzeitig gründete er in Peschawar eine Zeitschrift mit dem Namen "Die Eroberung".

Später wurde al-Zawahiri von den USA bezichtigt, einer der Organisatoren der Anschläge auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Daressalam (1998) gewesen zu sein. Manche handeln Aiman al-Zawahiri schon als Nachfolger Osama bin Ladens, sofern dieser getötet werden sollte oder eines natürlichen Todes stirbt.

Nachfolger bin Ladens

Viele halten al-Zawahiri für den Chef-Organisator des Terrornetzes, welches bin Laden finanziert. Dass er bei fast allen islamistischen Attentaten seine Hände im Spiel gehabt habe, gilt bei den Ermittlern als fast gesicherte Tatsache: beim Anschlag auf die amerikanischen Kasernen in Saudi Arabien (1996) ebenso wie bei dem Selbstmordattentat gegen das amerikanische Kriegsschiff USS-Cole im Hafen der südjemenitischen Stadt Aden im Oktober 2000.

Der heute 50-jährige Aiman al-Zawahiri wurde in einer Kairoer Arztfamilie geboren und ergriff selbst den Beruf des Chirurgen. Schnell avancierte er zum Professor an der "Kairo Universität".

Schon in früher Jugend schloss sich al-Zawahiri den ägyptischen Muslimbrüdern an. Deren Gründer, der Volksschullehrer Hassan al-Banna, hatte diese Ur-Institution aller Islamisten 1928 in der ägyptischen Stadt Ismailia ins Leben gerufen.

Gründer des islamischen Dschihad

Die Ideologie der Gruppen Islamischer Dschihad und Gamaa Islamiya geht auf die Muslimbrüder und Hassan al-Banna zurück. Auch die strikt puritanische Variante des saudischen Islam und die Ideologie der afghanischen Taliban lassen sich auf Hassan al-Banna zurückführen.

Aiman al-Zawahiri erwies sich als gelehriger Schüler. Mit gleichgesinnten Genossen gründete er Ende der siebziger Jahre in Ägypten den Islamischen Dschihad. Diese extremste Organisation aller islamistischen Organisationen schrieb von vornherein den "Kampf gegen die Ungläubigen" auf ihr Panier.

Wenig später trat der Dschihad mit einer ersten Schreckenstat an die Weltöffentlichkeit - mit der Ermordung Anwar el-Sadats durch das Dschihad-Mitglied Khalid al-Islambuli. Er ermordete Sadat, weil Ägypten in Camp David, dem Landsitz der amerikanischen Präsidenten, einen Friedensvertrag mit Israel ausgehandelt hatte.

Islambuli wurde später hingerichtet, al-Zawahiri, dem keine direkte Beteiligung nachgewiesen werden konnte, schloss sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis jenen Tausenden von Arabern an, die in Afghanistan mit finanzieller Hilfe der USA und Saudi Arabiens gegen die sowjetischen Invasoren kämpften.

Kämpfer in Afghanistan

Von Afghanistan aus gelang es Aiman al-Zawahiri auch, die weitgehend zerschlagenen Zellen des Dschihad wiederzubeleben. Als der Terrorfeldzug gegen das ägyptische Regime zu Beginn der neunziger Jahre begann, war der gut organisierte Dschihad an vorderster Front beteiligt.

Vom ägyptischen Dschihad gibt es mittlerweile einen gemäßigteren Zweig. Der folgt einem anderen Mitbegründer der Organisation, Abdul al-Zamar. Al-Zamar sitzt zur Zeit in einem ägyptischen Gefängnis. Vor ein paar Jahren schloss er sich einem Appell von Scheich Omar Abdel Rahman von der Gamaa Islamiya an.

Rahman forderte aus seiner Gefängniszelle in den USA heraus zum Ende des bewaffneten Kampfes auf. Er ist zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wegen Beteiligung am ersten Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 1993.

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