SZ-Kommentar:Kundus ist nicht Kandahar

Peter Münch

(SZ vom 23.11.2001) - Fällt Kundus? Auf diese Frage hat sich in den vergangenen Tagen viel Aufmerksamkeit im Afghanistan-Krieg konzentriert. Die Provinzstadt ist zum Schauplatz einer mit aller Macht geführten Schlacht geworden - und zum Ausgangspunkt unzähliger Spekulationen und widersprüchlicher Meldungen.

Die dort eingeschlossenen Taliban sollen sich, so verkündet nun der Nordallianz-General Raschid Dostum schon zum zweiten Mal in dieser Woche, zur Aufgabe der Stadt bereit erklärt haben. Am Sonntag soll die Übergabe erfolgen. Bis Sonntag freilich kann noch viel geschehen, und am Donnerstag wurde zunächst weiter heftig um Kundus gekämpft.

Dafür gibt es mindestens zwei Erklärungen, die zeigen, wie verworren die Lage in Kundus ist. Zum einen mag es sein, dass Dostum nur für die Usbeken-Fraktion in der Nordallianz spricht und die Tadschiken, die von der anderen Seite aus angreifen, wenig von seinen Abkommen halten.

Zum anderen sind auch die Eingeschlossenen in Kundus gespalten. Die Afghanen könnten zum Abzug bereit sein, doch die anderen - Araber, Tschetschenen, Pakistaner und sonstige Dschihadis - dürften den Märtyrertod vorziehen.

Die Entscheidungsschlacht aber wird in Kundus ohnehin nicht geschlagen. Die Stadt ist nur eine paschtunische Enklave im Feindesland, nicht zu halten und mittlerweile ohne strategische Bedeutung. Die Taliban werden ihren Kampf auf den paschtunischen Süden und Osten konzentrieren.

Sie werden versuchen, sich in Kandahar so lange wie möglich zu halten, und wenn sie auch diese Stadt verlieren, dann werden sie in den Bergen weiterkämpfen. "Bis zum Tod" - das hat Mullah Omar angekündigt, und es ist gewiss keine leere Phrase.

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