SZ-Hintergrund:Angst vorm schwarzen Peter

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Berlin und Düsseldorf werfen sich gegenseitig Versäumnisse in der Vorbereitung des NPD-Verbotsverfahrens vor.

Hans Leyendecker

Bei einem Treffen der Chefs der deutschen Verfassungsschutzbehörden vergangenen Sommer in Wilhelmshaven machte ein Beamter aus dem Bundesinnenministerium einen interessanten Vorschlag: Jeder einzelne Nachrichtendienst solle Fälle melden, in denen Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ausspionierten.

Die Bitte war ein bisschen ungewöhnlich. Geheime reden auch in vertrauter Runde nur äußerst ungern über ihre geheimen Quellen. Auch ist allen Experten geläufig, dass Verfassungsschützer ihre wichtigsten Erkenntnisse aus dem Innenleben rechtsextremer Gruppierungen von V-Leuten erhalten. Wenn die alten Kameraden unter sich sind, wird Tacheles geredet. Hunderte von Spitzeln haben im Lauf der Jahrzehnte Gedächtnisprotokolle oder Mitschriften abgeliefert. Aus solchen Spitzelberichten wird klar, dass die NPD ein Sammelbecken gewaltbereiter Rechtsextremer ist.

Einen genauen Überblick, wie viele V-Leute in der rechten Szene von den Geheimdiensten geführt werden, gibt es nicht, aber ihre Zahl ist dreistellig. In manchen Vorständen sollen mittlerweile die heimlichen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in der Mehrheit sein. Nationaldemokraten haben daraus die Legende gestrickt, dass die Partei durch V-Leute, die selbst das große Wort führten, in die Neonazi-Ecke getrieben werden sollte, um die Partei dann leichter verbieten zu können.

So wichtig die Spitzel sind, um den Beweis zu erbringen, wie gefährlich die NPD ist, so gefährlich können sie für das Verbotsverfahren in Karlsruhe sein. Sollten die Richter den Eindruck gewinnen, dass die alten Kameraden teilweise vom Verfassungsschutz mitgesteuert werden, wäre ein Erfolg vor Gericht unwahrscheinlich.

Deshalb wurde in Wilhelmshaven und später auch bei einem weiteren Treffen in Wiesbaden vereinbart, die Länder dürften in die Anlagen zum Verbotsantrag kein Material von aktiven V-Leuten einfließen lassen. Bei einem der vielen Treffen der Geheimen im Vorfeld des Karlsruher Verbotsverfahrens erklärte ein Verfassungsschützer aus Düsseldorf, die Berliner Kollegen sollten das Material eines Wolfgang Frenz nicht "zu hoch bewerten".

Frenz, der zu den Mitgründern der NPD in NRW gehört, war mehr als dreißig Jahre lang als Spitzel für den Verfassungsschutz in NRW aktiv. Bei der Materialsammlung für die Karlsruher Richter wurde dennoch kräftig aus Pamphleten des 1995 ausgeschiedenen V-Mannes Wolfgang Frenz zitiert. Zwar aus dem Jahr 1998 - aber immerhin. Über die Schuldfrage streiten jetzt hinter den Kulissen die Genossen in Düsseldorf und Berlin. "Wenn vereinbart wird, das Material von aktiven V-Leuten nicht zu verwenden" argumentiert der Düsseldorfer SPD-Innenminister Fritz Behrens, "bedeutet das im Umkehrschluss, dass das Material von Ehemaligen verwendet werden darf."

Spätestens seit 1996 wusste auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dass Frenz für die Düsseldorfer spioniert hatte, wie aus geheimen Unterlagen hervorgeht. Frenz behauptet sogar, er habe sich gelegentlich mit Emissären des BfV getroffen. Das Material von Frenz, das jetzt zum Eklat in Karlsruhe führte, war vom Bundesamt in Köln, das Schily untersteht, zusammengestellt worden. In allen Punkten, so die Düsseldorfer, habe die Verantwortung beim Bund gelegen.

Berlin aber habe es versäumt, die Richter rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass es sich bei Frenz um einen ehemaligen Spitzel handle. Ende vergangenen Jahres hat sich Frenz erneut in Düsseldorf bei den Verfassungsschützern gemeldet. Er teilte mit, dass er möglicherweise als "Auskunftsperson" der rechten Szene vor dem Karlsruher Bundesgericht auftreten müsse.

"Was soll ich sagen?" fragte Frenz. Er bekam einen Brief des Verfassungsschutzes mit der Aufforderung, vor Gericht die Wahrheit zu sagen. Auch traf sich ein Beamter der Behörde mit ihm. Er erhielt eine Aussagegenehmigung für seine Zeit als Spitzel. Enttarnte Spitzel werden geschützt. Am Dienstag bekam er Polizeischutz und Frenz ist auch wieder gesprächsbereit. So informierte der Spitzel a.D den Verfassungsschutz, mit welchen Journalisten er zu welchen Bedingungen in diesen Tagen gesprochen habe.

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