Syrienkonflikt:Am Tiefpunkt

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Ein weiterer Anlauf für den Friedensprozess in dem Bürgerkriegsland ist derzeit unwahrscheinlich. Der Streit um den Angriff auf humanitäre Helfer ist dabei nur ein Faktor. Ein anderer ist die zunehmende Machtlosigkeit der USA.

Von Stefan Braun, New York

Sicher, es wird weiter Versuche geben, dem ruinierten Friedensprozess für Syrien erneut Leben einzuhauchen. Doch selbst wenn das gelingen sollte, beispielsweise mit einem gegenseitigen Versprechen, für einige Tage alle Flugbewegungen einzustellen - an dem zerrütteten Vertrauen wird das so schnell nichts ändern. Seit dem Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi Anfang der Woche scheint der Graben so groß zu sein, dass selbst Berufsoptimisten wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklären, man sei ,,am Tiefpunkt'' angekommen.

Die Attacke auf die humanitären Helfer und der Streit über die Verantwortlichkeiten sind indes nicht die alleinige Ursache für das nahende Ende aller Hoffnungen. Da ist zum ersten der Versuch, einen Waffenstillstand mit einer Art Angriffserlaubnis gegen die Terrorgruppen vom sogenannten Islamischen Staat und al-Nusra zu verbinden. Diplomaten sagen, dass sich diese Ziele immer reiben werden. Allenfalls in einer statischen Situation, die mit der eines Bürgerkriegs nichts zu tun hat, könne man für einen Straßenzug eine Waffenruhe ausrufen und im nächsten Straßenzug Terroristen bekämpfen. Gefährlichste Krisen seien programmiert, daran werde sich nichts ändern.

Zweites Problem sind die ,,Spoiler'', wie US-Außenminister John Kerry alle jene nennt, die vom Konflikt leben und bislang die Friedensbemühungen torpediert haben. Das gilt für die Truppen und das Regime in Damaskus. Aber es gibt auch auf Seiten der Opposition Gruppen, die sich zwar zur anerkannten Opposition zählen, aber sich von al-Nusra und IS nicht eindeutig abgrenzen. Auch, weil sie eher von Katar oder Saudi-Arabien unterstützt werden und sich an US-Zusagen nicht gebunden fühlen. Eine fatale Situation, in der die USA zunehmend machtlos wirken.

Und dann gibt es ein drittes Problem, es ist das Größte. Die Kräfteverhältnisse zwischen der von den USA und den arabischen Staaten gestützten Opposition und der russisch-iranisch-syrischen Seite haben sich verschoben - zugunsten von Damaskus. Das mag niemand öffentlich machen. Aber die Weigerung der USA, die vor der Krise erzielte Vereinbarung mit Moskau offen zu legen, hat hier ihre Ursache. Der Kartenteil mit einer Definition der Frontverläufe zeigt offenbar, wie viel regimetreue Truppen seit Jahresanfang erobert haben. Für die andere Seite ist das kaum auszuhalten.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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