sueddeutsche.de-Interview:"Ich verstehe den Stoiber nicht"

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Cornelia Pieper, FDP-Generalsekretärin und Spitzenkandidatin in Sachsen-Anhalt, hält die Ost-Politik des Unionskandidaten für ebenso schlecht wie Schröders.

Interview: Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Frau Pieper, was werden Sie an Ihrem ersten Tag im Amt als Ministerpräsidentin von Sachsen-Anhalt machen?

Die FPD-Generalsekretärin klebt ihr Wahlplakat für die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt (Foto: N/A)

Cornelia Pieper: Mit einem ordentlichen Kabinett an die Arbeit gehen. Vor allem mit einem Wirtschaftsminister, der dafür sorgt, dass das Thema Arbeitsplätze wieder ernst genommen wird. Und ich werde einen Investitionsbeauftragten ernennen der seine vorzüglichen Kontakte in alle Welt für das Land Sachsen-Anhalt nutzt. Er wird viel zu tun haben. Wir haben eine Landesregierung, die dem Land in den vergangenen Jahren ein schlechtes Image verschafft hat.

sueddeutsche.de: Wer wird Ihr Stellvertreter sein?

Pieper: Das wird eine Person unseres zukünftigen Partners in der Landesregierung sein. Wer das ist, bestimmt der Wähler - genauso wie die Stärke der FDP. Man soll das Fell des Bären erst verteilen, wenn er erlegt ist.

sueddeutsche.de: Dennoch haben Sie klargemacht, mit der Schill-Partei werden sie auf gar keinen Fall zusammengehen. Was ist an dieser Partei in Sachsen-Anhalt schlimmer als in Hamburg, wo die FDP gemeinsam mit Schill und der CDU in der Regierung sitzt?

Pieper: Sachsen Anhalt musste über Jahre hinweg Regierungsexperimente ertragen, angefangen mit dem Magdeburger Model von Reinhard Höppner, also einer durch die PDS tolerierten SPD-Minderheitenregierung. Diese Regierung hat Sachsen-Anhalt zum Schlusslicht aller 16 Bundesländer gemacht: höchste Arbeitslosenquote, die höchste Pro-Kopf-Verschuldung, die niedrigste Unternehmensdichte. Dann haben viele frustrierte Wähler 1998 die rechtsextreme DVU mit 12,9 Prozent in den Landtag gewählt...

sueddeutsche.de: ... die am 21. April nicht wieder antreten wird.

Pieper: Richtig. Das ist ein Erfolg der Demokratie. Die DVU hat den Steuerzahler abgezockt. Sie hat nichts für dieses Land getan sondern im Gegenteil Investoren vertrieben.

sueddeutsche.de: Dennoch: Schill ist nicht die DVU.

Pieper: Wir brauchen keine neuen Experimente sondern eine seriöse Landesregierung mit hoher Kompetenz in Wirtschafts- und Bildungsfragen.

sueddeutsche.de: Wo stünde das Land heute, wenn die Wähler die FDP 1994 nicht mit 3,6 Prozent aus der Regierung hinauskatapultiert hätten?

Pieper: Wir wären heute weiter. Als wir 1994 die Wahl verloren hatten, hatten wir noch 8 Prozent Wirtschaftwachstum und nicht Minuswachstum wie heute. Aber ich gebe zu, die FDP stand sich damals mit ihren personellen Querelen selbst im Wege. Wir haben aus den Fehlern gelernt. Der Landesverband hat sich personell erneuert. Im Landesvorstand finden Sie vowiegend 20- und 30-Jährige und einige wenige, die Ende 50 sind. Das ist ein guter Mix aus Jugend und Erfahrung.

sueddeutsche.de: Ein wichtiges Thema wird die Arbeitsmarktpolitik sein. Der Osten hat da ein massives Problem: Viele gehen in den Westen, weil sie nur noch dort Jobs finden. Wann wird es die ersten Geisterstädtein den neuen Bundesländern geben?

Pieper: So weit wird es hoffentlich nicht kommen. Aber um das zu verhindern, will ich die Mobilitätsprämie von knapp 2500 Euro abschaffen. Das ist eine reine Abwanderungsprämie. Junge Menschen sind auch ohne finanziellen Anreiz mobil.

sueddeutsche.de: Die Arbeitslosen sollen also bleiben wo sie sind und weiter staatliche Gelder einstecken?

Pieper: Das ist der falsche Umkehrschluss. Was wir brauchen, das ist eine Politik zugunsten des Aufschwungs im Osten und nicht zugunsten einer Bevölkerungsabwanderung.

sueddeutsche.de: Arbeitsplätze schaffen Sie so nicht.

Pieper: Die Abschaffung der Mobilitätsprämie ist ja nur ein Mosaiksteinchen unter den arbeitmarktpolitischen Instrumenten. Arbeitsplätze entstehen durch Unternehmen. In Ostdeutschland fehlen nach Zahlen der Deutschen Industrie- und Handelskammer 150.000 Unternehmen. Wir brauchen deshalb eine Existenzgründeroffensive. Da hilft ein verbessertes politisches Klima nach einem Regierungswechsel. Noch wichtiger aber ist, die bürokratisch überfrachteten Förderprogramme zu vereinfachen.

Und wir müssen die Infrastruktur im Osten verbessern. Die Verkehrsprojekte der deutschen Einheit dürfen nicht weiter auf Eis gelegt werden, wie es die rot-grüne Bundesregierung mit der ICE-Trasse Nürnberg-Leipzig-Halle-Berlin gemacht hat.

Im Übrigen sollte Herr Riester seine Arbeitsämter in Schwung bringen. Wenn sich bewahrheitet, dass 70 Prozent aller Vermittlungen nicht stattgefunden haben, dann muss er dort kräftig aufräumen.

sueddeutsche.de: Sagen sie mal eine Zahl: Wie viele Arbeitslose wird es weniger geben nach einer Legislaturperiode mit Regierungsbeteiligung der FDP?

Pieper: Solche Versprechungen mache ich nicht. Aber sie werden ja sehen, was passiert, wenn wird unser dreistufiges Steuermodell mit 15, 25 und 35 Prozent durchgesetzt haben. Außerdem wollen wir den Flächentarifvertrag durch Öffnungsklauseln flexibler machen, um Unternehmen, denen es schlecht geht, Luft zum Atmen zu geben.

sueddeutsche.de: Da haben Sie eine seltsame Konkurrenz bekommen. Der Kanzlerkandidat ihres ehemaligen Koalitionspartners Union will das Tariftreuegesetz durch den Bundesrat bringen und die öffentliche Hand verpflichten, nur solchen Unternehmen Aufträge zu geben, die ihren Mitarbeiter Tariflohn zahlen.

Pieper: Ich verstehe da Herrn Stoiber nicht. Sein Verhalten zeugt von Unverständnis für den Osten. Dieses Gesetz trägt dazu bei, dass Handwerksbetriebe aus dem Osten keine Chance haben, einen Auftrag in einem westlichen Bundesland zu bekommen. Sie sind nicht in der Lage, die örtlichen Tarife zu zahlen. Dadurch werden im Osten noch mehr Firmen in die Pleite getrieben und noch mehr Arbeitsplätze vernichtet. Das reiht sich eher in die Abschwung-Ost-Politik von Herrn Schröder ein.

sueddeutsche.de: Berichtigen Sie folgendes Szenario: Die FDP wird mit 15 Prozent in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt...

Pieper: Mit 15? Wieso nicht 18?

sueddeutsche.de: Wir wollen doch realistisch bleiben. Also, Sie kommen mit 15 Prozent in den Landtag, Cornelia Pieper gibt ihr Bundestagsmandat auf und verlässt ihren Posten als Generalsekretären der FDP um Vorsitzende der liberalen Opposition im Magdeburger Landtag zu werden.

Pieper: Sollte die FDP in die Opposition kommen, werde ich mein Amt als Generalsekretärin bis zum Ende meiner Wahlperiode ausüben. Das habe ich immer deutlich gesagt. Die Leute erwarten, dass ich ihre Interessen dort vertrete, wo ich das am Besten tun kann. Und das ist neben der Tätigkeit im Landtag die der Generalsekretärin.

sueddeutsche.de: Ihr Bundestagsmandat legen sie also nieder?

Pieper: Das werde ich gemeinsam mit meinem Landesvorstand nach der Wahl entscheiden. Mein Ziel ist es, die FDP in den Landtag zu führen. Das hat oberste Priorität. Und es ist die Voraussetzung dafür, dass die gesamtdeutsche FDP erfolgreich in den Bundestag einzieht. Das ist auch meine Aufgabe.

sueddeutsche.de: Sie haben immer deutlich gemacht, dass sie auf das Ost-Ticket nicht scharf sind. Jetzt, nachdem Angela Merkel als Kanzlerkandidatin der Union ausgebootet worden ist, besetzten Sie die Rolle der Frau aus dem Osten, als hätte es nie etwas anderes für Sie gegeben. Kann ihnen dieser Rollenwechsel nicht gefährlich werden? Immerhin ist die FDP männer- und westdominiert.

Pieper: Nein, dass schadet mir in keinem Fall. Es ist im Gegenteil eine große Herausforderung, wenn die FDP sagt, wir machen diese Frau aus Sachsen-Anhalt so stark, dass sie Einfluss auf die Bundes- undLandespolitik bekommt.

sueddeutsche.de: Wann ist die FDP so weit, dass es eine Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin Cornelia Pieper geben wird?

Pieper: Wir haben auf unserem Bundesparteitag in Düsseldorf beschlossen, dass wir jetzt keine Kanzlerkandidatin und keinen Kanzlerkandidaten wollen. Aber ich gebe Ihnen Recht, dass in Deutschland die Zeit überreif ist für eine Bundespräsidentin oder eine Kanzlerin. Wer immer das sein wird, muss der Wähler entscheiden.

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