Streitpunkt Gesundheit:Von Genesung weit entfernt

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Das Bundeskabinett streitet über die beste Therapie - für die Krankenkassen.

Andreas Hoffmann

Noch vor zwei Wochen klangen die Worte groß, als die Chefs von Union und SPD auf den 1. Mai blickten und über die Gesundheitsreform redeten. Sie sprachen von Eckpunkten und Zwischenergebnissen, die die zuständige Arbeitsgruppe dann vorlegen sollte.

Nicht enden wollende Diskussionen quälen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (hier gedankenverloren bei einer Sitzung im Bundestag). (Foto: Foto: AP)

Doch wer inzwischen mit Experten redet, hört viel Skepsis. "An diesem Tag wird wenig passieren", sagt einer. Und ein anderer meint: "Wir werden Vorlagen austauschen, um eine Datenbasis zu haben."

Kopfschütteln bei den Experten

Der erste Blick der Fachleute soll nun vor allem den Kosten gelten. "Wir packen zuerst die Ausgabenseite an", sagt die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann. Denn man müsse auch Strukturen ändern. Ähnlich klingt es bei der Union, wo es heißt: "Wir können doch nicht nur mehr Geld ins System pumpen."

Doch wie die Systemreform aussieht, ob Kassenärztliche Vereinigungen und Apotheker entmachtet oder welche Leistungen gekürzt werden sollen, ist offen. Zudem brauchen solche Reformen viel Zeit, um zu wirken. Es vergehen oft Jahre, bis sie im Alltag ankommen und Geld sparen, meint Reimann.

Die Kosten sind nur ein Problem. Auch die Einnahmen der Kassen zu ändern ist schwer geworden - wegen Volker Kauder. Der Unionsfraktionschef hatte jüngst ein Modell ins Gespräch gebracht, das SPD und Union verwirrt und bei Experten Kopfschütteln auslöst.

"Kopfpauschale durch die Hintertür"

Kauder möchte einen Gesundheitsfonds schaffen, in den Bürger und Firmen die Kassenbeiträge einzahlen - statt sie an AOK und Barmer zu überweisen. Der Fonds soll durch Steuern, etwa über einen "Gesundheitssoli", aufgefüllt werden und jede Kasse soll daraus einen Einheitsbeitrag erhalten, zwischen 150 und 170 Euro.

Wer viele Alte und Kranke versichert, erhält einen Zuschlag. Aber: Kommt eine Kasse mit dem Geld nicht aus, soll sie eine Extra-Abgabe erheben. Doch dies kritisieren viele in der SPD, sie fürchten, dass eine "Kopfpauschale durch die Hintertür eingeführt wird", wie die Linke Andrea Nahles formuliert.

Nur Gesundheitsministerin Ulla Schmidt lobte Kauder, auch weil ihre Experten jüngst Ähnliches entwickelten, was sie aber dementieren ließ.

Doch auch in der Union sorgen die Kauderpläne für Verdruss. In der CSU streitet man darüber, ob Privatversicherte zu stark belastet werden. Dies befürchtet etwa Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller, während Agrarminister Horst Seehofer Kauder eher lobt.

Frühestens 2009

Kritisch sehen das Modell Fachleute wie der Sozialexperte Bert Rürup. "Durch eine Überweisung der unverändert lohnbezogenen Kassenbeiträge an einen Fonds statt wie bisher an die einzelnen Kassen werden die Gesundheitskosten nicht von den Arbeitskosten abgekoppelt, was aber nötig ist", sagt er der Süddeutschen Zeitung.

Dazu glaubt er nicht, dass das Modell 2007 eingeführt werden kann, weil es viele Probleme gäbe. Für einen fairen Wettbewerb müssten jene Kassen eine höhere Pauschale pro Versicherten erhalten, die viele alte Menschen, das heißt sogenannte schlechte Gesundheitsrisiken, versicherten.

Um dies richtig zu berechnen, sei ein spezieller Mechanismus nötig, und so meint er: "Ein solches System lässt sich frühestens 2009 einführen." Doch weil die Politiker Milliardenzuschüsse gestrichen haben, fehlen den Kassen bereits 2007 zwischen sechs und acht Milliarden Euro.

© SZ vom 27.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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