Streit um Türken-Juden-Vergleich:Zentralrat verteidigt Faruk Sen

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Rückendeckung von unverhoffter Seite: Der Zentralrat der Juden zeigt sich bestürzt über die drohende Abberufung Faruk Sens als Leiter des Zentrums für Türkeistudien.

Der umstrittene Direktor des Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen, hat im Kampf gegen seine drohende Abberufung Unterstützung bekommen. Der Zentralrat der Juden zeigte sich in einem Brief an den den nordrhein-westfälischen Integrationsminister und Kuratoriumsvorsitzenden Armin Laschet (CDU) bestürzt über die beabsichtigte Entlassung.

Faruk Sen sei "weder ein Holocaustrelativierer noch ein Antisemit", so der Zentralrat der Juden. (Foto: Foto: ddp)

Der Stiftungsvorstand hatte im Kuratorium die Abberufung des 60-Jährigen beantragt, weil er die Situation der in Europa lebenden Türken in einem türkischen Zeitungsbeitrag mit der Judenverfolgung in der Nazizeit verglichen hatte. Über den Antrag soll am 18. Juli entschieden werden. Bis dahin hat der Geschäftsführer des Zentrums, Andreas Goldberg, die vorübergehende Leitung des Instituts übernommen.

Zentralrat: Sen ist kein Antisemit

Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, schreibt in einem Brief an Minister Laschet, Sen sei seit Jahrzehnten ein Freund der jüdischen Gemeinschaft und "weder ein Holocaustrelativierer noch ein Antisemit". Er halte die Diskussionen über die beabsichtigte Entlassung für unseriös und verfolge sie mit Befremden und Unverständnis.

Sen habe die Kolumne geschrieben, um einem jüdischen Unternehmer in der Türkei, der die dortige Fremdenfeindlichkeit verurteilte, beizustehen. Darüber hinaus habe er sich für seine Aussage entschuldigt und entstandene Missverständnisse bedauert.

Tatsache sei allerdings, dass "türkischstämmige Muslime in Deutschland, ja in Europa, trotz aller freundschaftlichen Beteuerungen, sehr wohl alltäglichen Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt sind, die teilweise in ihrer Erscheinungsform der Diskriminierung von Juden im letzten Jahrhundert ähnlich sind", schreibt Kramer weiter. Dabei handele es sich hauptsächlich um die einschlägige Fremdenfeindlichkeit, die bis heute Juden und Muslime, aber auch Ausländer und Menschen dunkler Hautfarbe in Deutschland vereine.

Türkische Gemeinde steht hinter Sen

"Statt den Boten der Nachricht zu betrafen, sollten wir uns alle mehr und ernsthafter mit den Ängsten und Gefühlen der türkischstämmigen Muslime und anderer Minderheiten in unserem Land auseinandersetzen", fordert der Generalsekretär des Zentralrats.

Auch die Türkische Gemeinde Deutschlands erklärte in einem Brief an den Minister, dass der Beschluss des Vorstandes der "von allen Seiten anerkannten Arbeit Sens nicht gerecht" werde. Sen setze sich seit Jahren für die Verständigung zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland ein.

Der 60-Jährige hat inzwischen in mehreren Interviews angekündigt, sich juristisch gegen die Entscheidung des Vorstands des Zentrums wehren zu wollen. Sie sei eine Überreaktion, absolut falsch und für ihn nicht hinnehmbar, wurde Sen zitiert. Das Zentrum für Türkeistudien verhängte inzwischen ein Hausverbot gegen ihn.

Der emeritierte Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, Julius Schoeps, sagte der taz, Sen habe sich "wohl in der Form vergriffen". Dennoch halte er es für überzogen, ihn deshalb zu entlassen. Ähnlich argumentierte der Frankfurter Publizist Micha Brumlik. Die "unsinnige und falsche" Behauptung Sens sei wohl für manche ein Anlass, ihn loszuwerden, wird der ehemalige Leiter des Fritz-Bauer-Instituts zitiert.

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