Streit um den Großen Lauschangriff:Schily verteidigt Zypries

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Justizministerin Zypries ist mit ihren geplanten Verschärfungen beim Großen Lauschangriff massiv unter Druck geraten. Grünen-Politiker und Berufsverbände laufen Sturm gegen das Abhören von Pfarrern und Strafverteidigern. Otto Schily hält dagegen: Kriminelle dürften sich nicht hinter dem Schutz dieser Personengruppen verstecken.

Unter bestimmten Voraussetzungen müsse der Schutz für Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte, Priester oder Journalisten relativiert werden, sagte Bundesinnenminister Otto Schily in Kiel. "Es geht nicht darum, diese Berufsgruppen in Schwierigkeiten zu bringen."

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer hingegen hat die Pläne des Justizministeriums abgelehnt. Über diese geplante Neuregelung "werden wir gegebenenfalls streiten müssen", kündigte Bütikofer in der Berliner Zeitung an.

Grünen-Politikerin: Zypries hat BVG-Urteil falsch verstanden

Die Justizministerin von Schleswig-Holstein, Anne Lütges (Bündnis 90/Grüne), empfahl ihrer SPD-Kollegin in Berlin, "es noch mal neu zu versuchen". Sie erklärte im NDR, Zypries habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff von 3. März falsch verstanden.

Neben der Ausweitung der Wohnraumüberwachung solle das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger unterhöhlt und "quasi durch die Hintertür auch noch das Strafgesetz" geändert werden.

Das Justizministerium will ein Abhören dieser Berufsgruppen bei besonders schweren Straftaten wie Mord und Totschlag ermöglichen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hatte Anfang des Jahres erhebliche Korrekturen beim großen Lauschangriff verlangt. Er soll demnach auf Fälle schwerer und schwerster Kriminalität reduziert werden. Zudem werden hohe Anforderungen an Anordnung und Vollzug gestellt.

Baum: Notfalls ziehen wir erneut vor Gericht

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), einer der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht, hat die geplante Ausweitung des großen Lauschangriffs kritisiert. Das Urteil würde damit "ad absurdum geführt", sagte Baum am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Baum schloss eine erneute Klage nicht aus: "Wenn dieser Gesetzentwurf nicht zurückgezogen wird, werden wir genau prüfen, ob wir nicht erneut nach Karlsruhe gehen."

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) lehnte den Plan kategorisch ab. Er "pervertiert geradezu die vom Bundesverfassungsgericht getroffene Grundsatzentscheidung zu Gunsten eines unantastbaren Kerns privater Intimsphäre und damit der Menschenwürde," erklärt DAV-Vizepräsident Georg Prasser. Es sei kaum zu glauben, dass der Referentenentwurf ausgerechnet aus dem Verfassungsministerium stamme.

Zypries unterlaufe die Forderung des BVG, wonach Lauschangriffe auf besonders schwere Straftaten beschränkt werden müssten. Zypries wolle nun bei einer Reihe von Delikten das Strafmaß auf über fünf Jahre anheben, um in diesen Fällen weiter lauschen zu können. "Auf diese Art dem Wort des BVG-Urteils gerecht zu werden, dem Gedanken aber Hohn zu sprechen", sei für ihn absolut nicht tolerabel, sagte Prasser dem Deutschlandradio.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nannte die Pläne "völlig inakzeptabel". Der Bundesvorsitzende Michael Konken erklärte: "Der praktische Wegfall des Informantenschutzes macht die Pressefreiheit in Deutschland zu Makulatur."

Mit diesem Gesetzentwurf bleibe die Bundesregierung nicht nur hinter dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff zurück, sondern auch hinter dem Gesetz der CDU-Regierung unter Helmut Kohl, gegen das die rot-grüne Opposition damals Sturm gelaufen sei.

Der Vorsitzende des Ärzteverbandes Marburger Bund, Frank Ulrich Montgomery, erklärte in Berlin, das "besonders schutzwürdige Patienten-Arzt-Verhältnis" dürfe unter keinen Umständen ausgehöhlt werden: "Wir werden es nicht zulassen, dass Schnüffler das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Arzt untergraben."

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) müsse deshalb ihren Vorschlag gänzlich zurückziehen und bei einer Novellierung des Großen Lauschangriffs Praxen, Kliniken und öffentliche Gesundheitseinrichtungen von Abhöraktionen ausnehmen.

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