Streit um das BKA-Gesetz:Wenig Schutz für "Deep Throat"

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Mehr als 30 Jahre blieb geheim, wer die Watergate-Affäre aufdecken half. Hätte es in den USA ein BKA-Gesetz gegeben, hätten Bob Woodward und Carl Bernstein ihren Informanten kaum schützen können.

Hans Leyendecker

Sie waren unerfahren, hatten keinerlei journalistische Reputation und hockten an einer Geschichte, die den Regierenden und den meisten Hierarchen im Sicherheitsapparat sehr missfiel: Vor mehr als dreieinhalb Jahrzehnten recherchierten Bob Woodward und Carl Bernstein, zwei junge Reporter der Washington Post, die Hintergründe eines Einbruchs in das Hauptquartier der Demokraten in Washingtons Watergate-Komplex.

Die Reporter Bob Woodward, rechts, and Carl Bernstein 1973 in der Redaktion der Washington Post. Ihre Berichterstattung über die Watergate-Affäre führte zum Rücktritt von Richard Nixon. (Foto: Foto: AP)

Mark Felt outete sich als "Deep Throat"

Meist in einer Tiefgarage traf Woodward einen geheimnisvollen Informanten, der ihn immer wieder auf die Spur brachte und der später "Deep Throat" genannt wurde. Das Ende ist bekannt: US-Präsident Richard Nixon musste zurücktreten, und nach mehr als 30 Jahren enttarnte sich "Deep Throat" selbst als W.Mark Felt, einst zweiter Mann beim FBI.

Medien verstehen es, ihre Anliegen ins Blickfeld zu rücken, aber die Frage ist nicht nur hypothetisch: Hätte die Redaktion der Hauptstadt-Zeitung mehr als drei Jahrzehnte die Quelle schützen können, wenn es in den USA damals so etwas wie das BKA-Gesetz gegeben hätte? Zum Zentrum der Pressefreiheit gehören Informantenschutz und das Zeugnisverweigerungsrecht unter Berücksichtigung der Gesetze. Keine Geschichte rechtfertigt zum Beispiel einen Einbruch oder die Bestechung eines Beamten.

Beugehaft und Redaktionsdurchsuchungen

Dieser Kernbereich ist gefährdet: Schon seit Anfang des Jahres gibt es in Deutschland ein Zeugnisverweigerungsrecht erster und zweiter Klasse. Danach dürfen Abgeordnete und Seelsorger nicht ausspioniert werden. Bei Straftaten von "erheblicher Bedeutung" hingegen erlaubt Paragraf 160 der Strafprozessordnung das Ausspionieren von Ärzten, einem Teil der Anwaltschaft und von Journalisten.

Im BKA-Gesetz braucht es jetzt nicht mehr die schweren Straftaten; das häufig betroffene Bundeskriminalamt selbst soll künftig sachkundig zwischen dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung und dem Geheimhaltungsinteresse des Journalisten abwägen. Journalisten haben demnach nur noch ein eingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht.

In einer Anhörung vor dem Bundestag hat dazu der Bielefelder Rechtsprofessor Christoph Gusy festgestellt, dass der Vertrauensschutz der Presse verglichen mit anderen Berufsgruppen "auf niedrigerem Niveau gelassen" werde. Es gebe im Gesetz eine "Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe", aber keinerlei Abwägungskriterien. Vor allem sei offen, "wie und von wem die Vertrauensbeziehungen der Presse zu ihren Informanten besonders zu berücksichtigen" seien. Fahnder können künftig in Einzelfällen die Herausgabe von Recherchematerial verlangen und diesen Anspruch notfalls mit Beugehaft und Redaktionsdurchsuchungen durchsetzen.

In einem Vortrag vor dem Rhein-Ruhr-Klub hat 1953 der Spiegel-Gründer Rudolf Augstein gesagt, der "moderne Staat" neige dazu, "die Pressefreiheit nach außen zu deklarieren und nach innen auszuhöhlen", und an dieser Feststellung hat sich seitdem wenig geändert.

"Wer läuft alles mit Journalistenausweis herum"

Der frühere Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem hat neulich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber Journalisten nicht zwingend wie Pfarrer und Abgeordnete behandeln müsse: "Er könnte es, aber er muss es nicht, das ist eine politische Entscheidung".

Bei der Anhörung im Bundestag im September zum BKA-Gesetz gehörten Medienvertreter erst gar nicht zu den geladenen Experten. Sie konnten nur eine Stellungnahme abgeben. In die Debatte um das Zeugnisverweigerungsrecht brachten Sozialdemokraten einen besonderen Aspekt ein: "Wenn man sich anschaut, wer mit Journalistenausweis herumläuft. Dafür kann man nicht die Schranken öffnen", resümierte die Parlamentskorrespondenz des Deutschen Bundestags die SPD-Linie: Hätten die Sozialdemokraten damals Woodward und Bernstein die Schranken geöffnet?

© SZ vom 12.11.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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