Streit übers Gehalt:Überleben mit A 13

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Sollen Beamte mehr Geld bekommen, wenn sie in teuren Städten leben? Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute über die Klage eines Münchner Polizisten - die Richter kennen das Problem aus eigener Erfahrung.

Helmut Kerscher

Es gibt sehr viele Menschen in Deutschland, die gerne die finanziellen Sorgen von Peter Steininger hätten. Der 51-Jährige arbeitet nämlich als Erster Kriminalhauptkommissar und hat mittlerweile die Besoldungsgruppe A 13 erreicht.

Zog einst nach München, um seine Karriere voranzutreiben: Kriminalhauptkomissar Peter Steininger. (Foto: Foto: dpa)

Damit verdient er eigentlich nicht schlecht, hat aber aus seiner Sicht gleichwohl Grund zur Klage. Denn der geschiedene Vater dreier Kinder wohnt im bekannt teuren München. Wegen der dort ,,exorbitant hohen Lebenshaltungskosten'' hält Steininger sein A-13-Gehalt für zu niedrig - sowohl gemessen an seinem Amt als auch an der Kaufkraft seiner Kolleginnen und Kollegen auf dem Land. Solange der Staat ihm und seinesgleichen keine ,,Ballungsraumzulage'' zahle, verletze er das ,,Alimentationsprinzip'', meint der Kommissar.

Ob das eine stichhaltige Argumentation ist, müssen nun ein paar Erwerbstätige entscheiden, die selbst zwar nicht Steiningers finanzielle Probleme haben, die sich aber trotzdem sehr gut mit dem Besoldungsrecht auskennen: Gemeint sind die acht Mitglieder des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts.

Richter mit eigener Erfahrung

Mehrere wissen aus eigener Erfahrung um die Unterschiede der staatlichen Besoldung. So war Richter Udo di Fabio vor seiner spektakulären Karriere zum Hochschullehrer, Verfassungsrichter und Buchautor (,,Die Kultur der Freiheit'') zehn Jahre lang Kommunalverwaltungsbeamter im mittleren Dienst.

Seine Professoren- und Richterkollegin Gertrude Lübbe-Wolff leitete früher das Umweltamt der Stadt Bielefeld, Siegfried Broß kommt aus der bayerischen Verwaltung, und der als Berichterstatter zuständige Herbert Landau hatte zuletzt als Justizstaatssekretär in Hessen mit dem Besoldungsrecht zu tun.

Landau, Di Fabio und Broß, aber auch der Senatsvorsitzende Winfried Hassemer erweckten in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2006 durch wohlwollende Fragen gelegentlich den Eindruck, sie wollten eine staatliche Pflicht zur Zahlung einer ,,Ballungsraumzulage'' bejahen. So sagte Broß, ihm seien Zwangsversetzungen nach München bekannt, weil in der Stadt nicht mehr genügend Personal zu gewinnen sei.

Zudem suchte man in der Verhandlungsgliederung vergebens nach dem für die Frage der Besoldungsgerechtigkeit vielleicht nicht unwesentlichen Punkt, ob ein Ballungsraum wie München außer Nachteilen auch ein paar Vorteile habe - zum Beispiel die von einem Sachverständigen betonte Lebens- und Lagequalität, von der ärztlichen Versorgung über das kulturelle Angebot bis hin zum dichten Netz der Einkaufsläden.

Bismarcks System

Di Fabio und Landau erinnerten an das frühere System der Ortszuschläge, mit denen die Besoldung nach regionalen Kriterien differenziert wurde. Dieses unter Bismarck eingeführte Zulagensystem hielt sich 100 Jahre lang, ehe es im Jahr 1972 auslief - weil sich angeblich die Lebenshaltungskosten angeglichen hatten.

Diese Behauptung würde heute wohl kaum jemand mehr unterschreiben. Jeder weiß, dass es wie in der Fabel von der Stadtmaus und der Landmaus gravierende Unterschiede im Lebensstandard gibt. Im wirklichen Leben allerdings andersherum: Wo sich die Landmaus ein Häuschen mit Garten leisten kann, muss die Stadtmaus bei gleichem Einkommen froh über eine akzeptable Wohnung sein.

Mit dem Stadt-Land-Vergleich suchte auch Kläger Steininger zu überzeugen. Wenn er seine Eltern in Oberfranken besuche, werde ihm das Kaufkraftgefälle jedes Mal so richtig bewusst. Steininger hatte seine Heimatstadt Bayreuth 1985 allerdings nicht wegen einer Zwangsversetzung verlassen, sondern weil ihm in München der Laufbahnwechsel vom mittleren Dienst in den gehobenen Dienst winkte.

Wortmächtiger Prozessvertreter

Der Streit ums Prinzip, nämlich um das Alimentationsprinzip, führte in Karlsruhe schließlich zu der Kernfrage: Dürfen der Bund und die neuerdings für das Besoldungsrecht zuständigen Länder selbstständig über Sein oder Nichtsein von Zuschlägen entscheiden?

Natürlich pochten die Vertreter der Bundesregierung und der bayerischen Landesregierung auf ihren Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Gerade den wollen aber Kommissar Steininger und sein wortmächtiger Prozessvertreter, der Hochschullehrer Heinrich Amadeus Wolff (Berlin), sowie die Deutsche Polizeigewerkschaft mit der Musterklage einengen.

Das Grundgesetz, sagen sie, gebiete die ,,Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze'' des Berufsbeamtentums und damit einer ,,amtsangemessenen Alimentierung''; die gebe es aber für Steininger und viele andere Beamte in München nicht. Außerdem sei das Fehlen einer Ortszulage für höhere Besoldungsgruppen als A10 auch deshalb verfassungswidrig, weil dadurch Amtsunterschiede nivelliert würden und der Leistungsgrundsatz verletzt sei. Eine Versetzung in einen Ballungsraum ,,kommt einer Gehaltskürzung von 20 Prozent gleich'', sagte Wolff.

Helfen könne nur das Bundesverfassungsgericht, weil keine politische Lobby ein Interesse an einer Änderung habe.

© SZ vom 6.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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