Streit über Terrorgefahr:SPD wirft Innenministerium Schüren von Hysterie vor

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Ist Schäubles Warnung vor Terroranschlägen in Deutschland nur Panikmache oder ist sie berechtigt? Die SPD jedenfalls warf dem CDU-Politiker Schüren von Hysterie vor.

Annette Ramelsberger

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein Staatssekretär August Hanning haben eindringlich vor einer gestiegenen Gefahr von Selbstmordanschlägen in Deutschland gewarnt und damit einen politischen Streit ausgelöst. SPD-Politiker warfen dem Innenministerium vor, "hysterische Züge" in die Debatte zu bringen, obwohl es keine konkreten Hinweise auf Anschläge gebe.

"Leider versucht die Union, die gegenwärtige - immer noch abstrakte und keineswegs dramatische - Gefahrenlage politisch zu instrumentalisieren", sagte der Vize-Fraktionschef der SPD, Fritz-Rudolf Körper. Er wirft Schäuble vor, überstürzt die umstrittene Online-Durchsuchung von Computern zu verlangen.

Schäuble warnte am Freitag in Berlin erneut vor der erhöhten Terrorgefahr. Deutschland sei vor allem wegen des Engagements in Afghanistan seit geraumer Zeit "im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus". Der Minister und Hanning befürchten, dass Terroristen Anschläge vermutlich mit dem Ziel begehen könnten, die Entscheidung des Bundestags über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr zu beeinflussen.

Die Entscheidung steht im Oktober an. Schäuble sagte, Deutschland müsse seinen Auftrag dort fortsetzen und dürfe sich nicht ,,von Verbrechern herausbomben lassen''. Erst im Mai waren drei Bundeswehrsoldaten bei einem Selbstmordanschlag in Kundus getötet worden.

Sicherheitsexperten halten die Lage für so ernst wie zuletzt vor den Terroranschlägen von New York und Washington am 11. September 2001. Das "Hintergrundrauschen" in der gewaltbereiten Szene sei stark angestiegen. Auslöser für die aktuelle Warnung sind vermutlich die Festnahmen von zwei deutschen Terrorverdächtigen in Pakistan. Auch ein dritter Deutscher wurde dort in Haft genommen, über seinen Hintergrund ist allerdings bisher nichts bekannt.

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, erklärte in Wiesbaden, einer der Festgenommenen sei der Polizei als "Gefährder" bekannt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung handelt es sich um einen 45 Jahre alten Mann aus Germersheim am Rhein, der auch Zugang zur Kernforschungsanlage in Karlsruhe hatte.

Die pakistanische Polizei wirft ihm vor, bei einem Training der Terrororganisation al-Qaida den Umgang mit Sprengstoff erlernt zu haben. Er war bei seiner Festnahme am vergangenen Montag auf dem Weg zurück nach Deutschland.

Die Sicherheitsbehörden seien "besorgt und beunruhigt", sagte Ziercke. Es gebe aber keine Erkenntnisse über konkrete Anschlagsziele in Deutschland. Allerdings sei eine "punktuelle Verschärfung" der Lage in Afghanistan festzustellen.

Dorthin sind nach Erkenntnissen des BKA mindestens zehn Deutsche gereist, vermutlich in Trainingslager im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. "Ich glaube, dass man nicht länger sagen kann, dass wir ,nur' eine abstrakte Gefahr haben", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach.

© SZ vom 23.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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