Streit über Patientenverfügung:Klare Regeln für den vorletzten Willen

Lesezeit: 2 min

Die Patientenverfügung zur ärztlichen Behandlung im Notfall wird in Deutschland wahrscheinlich erstmals gesetzlich geregelt. Die Kernfrage bleibt aber weiter umstritten.

In einer Grundsatzdebatte im Bundestag sprachen sich Redner aller Fraktionen für ein Gesetz zur Patientenverfügung aus.

Es soll unter anderem regeln, wie eine gültige Patientenverfügung aussehen soll und in welchen Fällen Gerichte eingeschaltet werden können. Umstritten ist aber die Kernfrage, ob der Patientenwille in jedem Fall beachtet werden muss.

Mit einer Patientenverfügung können Menschen Regelungen für den Fall treffen, dass sie etwa durch Unfall oder Krankheit nicht mehr selbst über medizinische Behandlungen entscheiden können.

Unionsvizefraktionschef Wolfgang Bosbach argumentierte, der Schutz des Lebens habe im Zweifel Vorrang, es sei denn, es geht um eine unumkehrbar tödliche Krankheit. Bosbach hat dazu einen eigenen Vorschlag formuliert, den auch Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen unterstützen. Dem gegenüber steht ein Entwurf des SPD-Rechtsexperten Joachim Stünker, den auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) mitträgt.

Kein Fraktionszwang

Sie argumentierte, der eindeutig geäußerte Wille des Patienten müsse geachtet werden, auch wenn dies im Voraus für eine Situation geschehe, in der man sich nicht mehr äußern könne. Ein Gesetz dürfte nach Zypries' Darstellung frühestens im kommenden Jahr fertig sein. Die Abgeordneten sollen ohne Fraktionszwang entscheiden dürfen.

Die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk sprach die Ängste an, die viele Menschen zu Patientenverfügungen bewegen. Schätzungen zufolge gibt es bis zu acht Millionen davon in Deutschland. Die meisten Menschen wünschten sich Umfragen zufolge einen Tod ohne Schmerzen im Kreise ihrer Lieben. Tatsächlich befürchteten aber viele, dass sie in Pflegeheimen nicht in Würde leben können und in Krankenhäusern nicht in Würde sterben.

Bosbach erkannte an, dass die moderne Medizin zum Teil Angst mache. Ihm gehe es um einen Ausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und dem Schutz des Lebens auch gegen den Patientenwillen. Er sprach den Fall an, dass sich der in der Patientenverfügung festgelegte Wille geändert habe.

Dies geschehe nach Erfahrung von Medizinern oft: Patienten, die eine Verfügung verfasst haben, entschieden in der aktuellen Situation dann doch anders, wenn sie dies noch sagen können. "Die Beendigung eines Lebens darf man nie auf Irrtum stützen", sagte Bosbach.

Vielfalt der Positionen

Zypries meinte hingegen, Zweifel an einem klar geäußerten Patientenwillen gäben nicht Dritten das Recht, anders über sein Leben zu entscheiden. Ihr Fraktionskollege Stünker warb ebenfalls für ein "uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht des Patienten". Das Grundgesetz "gewährt ein Recht zu leben, es begründet aber nicht die Pflicht zu leben", sagte Stünker.

Für beide Positionen gab es Unterstützung aus allen Fraktionen. Einige Abgeordnete, wie der CSU-Politiker Wolfgang Zöller und die Linkspolitikerin Monika Knoche, plädierten dafür, möglichst wenig zu regeln und nur Einzelvorschriften für bestimmte Fälle festzuschreiben. Manche Parlamentarier stellten auch noch in Frage, ob es überhaupt ein Gesetz geben soll.

Weitgehend mehrheitsfähig scheint, dass zumindest per Gesetz geklärt werden soll, wie eine gültige Patientenverfügung auszusehen hat. Mehrere Abgeordnete plädierten dafür, nur schriftliche Erklärungen zu akzeptieren und auch nur dann, wenn sie auf den eingetretenen Notfall zutreffen. Die Verfügungen sollen jederzeit auch mündlich oder durch "gezeigten Lebenswillen" widerrufbar sein.

© AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: