Streit über Mehrwertsteuer:Seehofer widersetzt sich der Kanzlerin

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Bayerns Ministerpräsident beharrt auf niedrigeren Sätzen für einzelne Branchen. Die CDU hält das für nicht finanzierbar.

S. Braun und C. Hulverscheidt

Trotz eines klaren Neins von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält CSU-Chef Horst Seehofer an seiner Forderung nach niedrigeren Mehrwertsteuersätzen für einzelne Branchen fest. Er rief damit bei CDU und SPD heftige Kritik hervor. Die FDP ist zwar grundsätzlich der gleichen Meinung wie Seehofer, warf der CSU aber dennoch ein "Doppelspiel" vor.

Streiten über die Senkung der Mehrwertsteuer: Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel (CDU). (Foto: Foto: dpa)

Seehofer sagte der Bild am Sonntag, das Mehrwertsteuerrecht bringe starke Wettbewerbsnachteile für einzelne Wirtschaftszweige mit sich. Zudem gebe es "große Ungleichgewichte", betonte er mit Blick auf die Vielzahl von Ausnahmeregelungen. So sei etwa "die unterschiedliche Besteuerung für Tierfutter mit niedrigen Sätzen und notwendiger Babyausstattung mit hohen Sätzen kaum zu erklären".

Deshalb sei eine "strukturelle" Reform notwendig - "und zwar jetzt und nicht erst in Jahren". Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon verwies zudem darauf, dass gerade in der Tourismusbranche viele deutsche Grenzbetriebe gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligt würden. "Die Gastronomen und Hoteliers im Süden, Norden, Osten und Westen stehen im Wettbewerb und brauchen unsere Unterstützung", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Mit ihren Äußerungen stellten sich die CSU-Politiker direkt gegen die Regierung und die Kanzlerin. Merkel hatte wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mehrfach betont, dass es für Änderungen bei der Mehrwertsteuer in der laufenden Wahlperiode keinen finanziellen Spielraum gebe. Seehofer beruft sich auf den jüngsten Beschluss der EU-Finanzminister, die es den einzelnen Mitgliedstaaten freigestellt hatten, ihre ermäßigten Steuersätze auf weitere Wirtschaftszweige auszuweiten. In Deutschland beträgt der normale Satz derzeit 19 Prozent, der ermäßigte Satz liegt bei sieben Prozent.

Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, sagte der Süddeutschen Zeitung, eine Mehrwertsteuerreform sei "gegenwärtig unrealistisch". Die Spielräume im Haushalt fehlten, außerdem würde die SPD zwangsläufig Bedingungen stellen. "Zum einen pfeift die Finanzplanung von Steinbrück schon jetzt aus dem letzten Loch, zum anderen würde die ideologisierte Steuerpolitik der Sozialdemokraten eine Entlastung nur durch Erhöhung an anderen, vermutlich neidgetriebenen Stellen möglich machen", sagte der CDU-Politiker.

Deshalb lehne er Seehofers Vorschlag ab. "Mit einer solchen Scheinreform würde man keinesfalls irgendeinen Wähler beeindrucken." Ähnlich äußerte sich auch der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach (CDU).

Harsche Kritik kam von der SPD. Vize-Fraktionschef Joachim Poß sprach von einem "unglaublichen und erschreckenden Populismus" der CSU. Es spreche generell nichts dagegen, das Chaos im Mehrwertsteuerrecht zu lichten. Mit seiner Forderung nach neuen Ausnahmeregeln plädiere Seehofer aber für das Gegenteil, sagte Poß der SZ.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel plädierte dafür, nicht nur Hotels und Gaststätten mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen, sondern auch Strom, Gas und Öl. Energie sei "ein Grundbedürfnis wie Nahrung" und dürfe nicht zum Luxus werden. Trotz der Übereinstimmung in der Sache übte Niebel scharfe Kritik an der CSU. Diese habe in der großen Koalition "zwanzig Mal für höhere Steuern gestimmt". Wenn die bayerische Landesregierung jetzt dagegen stänkere, sei das "christsozialer Gedächtnisschwund". Ähnlich äußerte sich Vize-Fraktionschef Carl-Ludwig Thiele.

© SZ vom 16.3.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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