Streiflicht:Wer ist Koch, Robert Koch?

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Sollte der hessische Einbürgerungstest in den Schulen verbreitet werden, sind in der Folge familiäre Verwerfungen zu erwarten.

"Ganz klar", sagt einer am Biertisch, "das ist doch dieser Politiker in diesem Bundesland, wie heißt es doch gleich wieder, ziemlich in der Mitte Deutschlands liegt es, und die Hauptstadt ist Frankfurt."

"Unsinn", sagt ein anderer, "der, den du meinst, heißt vorne Roland, der Robert Koch hingegen ist Sportreporter und kommt samstags immer in der Sendung Heute im Stadion, wenn in Nürnberg ein Bundesligaspiel stattfindet."

"Meiner Meinung nach", wirft da ein Dritter ein, "schreibt sich der Mann vorne Günther, und der Robert Koch steht beim MSV Duisburg im Tor."

"Georg heißt der Torwart", schreien da die anderen und lachen sich kaputt darüber, dass einer nicht einmal die Bundesligaspieler kennt.

Am Nebentisch aber erhebt sich ein schmächtiger Mann, dunkle Haare, vermutlich südosteuropäischer Herkunft, wie die Polizei in einer Täterbeschreibung mitteilen würde.

Tritt heran und klärt in gebrochenem Deutsch darüber auf, dass Robert Koch ein deutscher Mediziner gewesen sei, dessen Arbeiten schon im 19. Jahrhundert zur Entdeckung des Tuberkels und des Cholera-Erregers geführt hätten.

Und außerdem sei Roland Koch Ministerpräsident in Hessen, dessen Hauptstadt im übrigen Wiesbaden heiße.

Da ist nun ein großes Erstaunen, und die Stammtischbrüder schämen sich sehr. Dabei hat der Mann nur vorsorglich den Fragebogen des hessischen Innenministeriums abgearbeitet, weil dieser möglicherweise bundesweit zur Vorbereitung auf den obligatorischen Wissens- und Wertetest vor einer Einbürgerung dienen könnte.

Die 100 Fragen haben es in sich, vor allem für die Deutschen, weil ein solcherart eingebürgerter Ausländer quasi das Zertifikat einer geprüften Wissens- und Wertefestigkeit besitzt, während den originär Einheimischen dieser Nachweis fehlt.

Sollte der Katalog aber in den Schulen verbreitet werden, sind in der Folge familiäre Verwerfungen zu erwarten. Die Kinder könnten die Mutter nach dem Inhalt von Artikel 1 der Verfassung fragen und den Vater nach dem Prinzip der Gewaltenteilung, und wenn die Altvorderen dann nur herumeiern und die Augen verdrehen, dient das nicht der Festigung ihrer elterlichen Autorität.

Weiß die Mutter aber, dass nach Artikel 1 die Würde des Menschen, und zwar jedes Menschen, unantastbar ist, dann wird das Kind antworten, seine Würde werde in einer Tour verletzt, weil es nicht über die Höhe des Taschengeldes und die Einschlafzeiten bestimmen darf.

Dem Vater aber hilft es nicht, dass er die Pioniere des deutschen Automobilbaus kennt und die Europameister-Mannschaft aus dem Jahr 1972 (Maier, Höttges, Schwarzenbeck usw.). Er steht da als ein älterer Mitbürger, der es eigentlich nicht verdient hat, ein Deutscher zu sein.

© SZ vom 17.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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