Straffreiheit für Afrikas Diktatoren:Mit Schuld und ohne Sühne

Despoten kommen oft ungeschoren davon, doch dies ist häufig der einzige Weg zum Machtwechsel

Von Michael Bitala

Selbst Wunder müssen in Afrika gekauft werden. Vor einem Jahr verlor in Kenia Daniel arap Moi die Macht, nach 24 Jahren Herrschaft, durch freie und demokratische Wahlen. Schon die friedliche Abstimmung war eine Sensation. Noch überraschender aber war, dass sich der Präsident dem Votum beugte. Noch kein anderer Staat auf dem Kontinent hatte demokratisch abstimmen lassen und dabei gleich ein hochkorruptes Regime friedlich abgewählt. Kenia wurde zur afrikanischen Ausnahme. Doch nun bekommt der Machtwechsel einen fahlen Nachgeschmack.

Robert Mugabe

Robert Mugabe

(Foto: Foto: AP)

Der letzte Big Man

Denn Daniel arap Moi hat inzwischen seinen Lohn erhalten. Er wurde von der Nachfolgeregierung offiziell zur "besonderen Person" erklärt. Der ehemalige Herrscher genießt Immunität und wird sich vor keinem Gericht für seine Verbrechen rechtfertigen müssen - und das, obwohl deren Liste lang ist: ungezählte politische Morde, Folter, Machtmissbrauch und Korruption.

Moi war einer der letzten Big Men Afrikas, die nach dem Ende der Kolonialzeit immer reicher und mächtiger wurden, während ihre Völker immer tiefer ins Elend stürzten. "Moibutu" wird er genannt, in Anspielung auf den größten Dieb des Kontinents, Mobutu Sese Seko, der das ehemalige Zaire so lange ausgeplündert hatte, bis es 1997 zusammenbrach. Auch Moi und seine Machtclique haben vermutlich bis zu vier Milliarden US-Dollar gestohlen.

Natürlich sind viele Kenianer über die Sonderbehandlung empört, mit der ein weiterer afrikanischer Staatschef für seine Verbrechen nicht belangt wird. Das hat Tradition auf dem Kontinent, auf dem selbst die meisten blutrünstigen Tyrannen bislang ungeschoren davongekommen sind. Doch so ungerecht die Straffreiheit angesichts der vielen Opfer und verschwundenen Milliarden auch sein mag - selbst viele Oppositionelle in Afrika befürworten die garantierte Immunität für abgetretene Herrscher. Dahinter steht ein einfacher Gedanke: Wenn sich die Herrscher an ihre Ämter klammern, ist der Schaden größer, als wenn sie ungeschoren davonkommen und verschwinden.

Das aktuellste Beispiel ist Simbabwe. Jeden Tag, den Präsident Robert Mugabe dort weiter im Amt bleibt, verschlimmert sich die Katastrophe. In Kenia wiederum hätte es ohne die vorzeitig garantierte Immunität für Moi keinen friedlichen Machtwechsel gegeben. Das wusste auch die neue Regierung. So wurde der geheime Deal noch vor der Wahl ausgehandelt.

In der Regel aber müssen Präsidenten gewaltsam gestürzt werden, was nicht selten neue Bürgerkriege nach sich zieht. Ein beliebter Witz unter UN-Diplomaten lautet deshalb: Die Völkergemeinschaft sollte eine Insel kaufen, auf der sich afrikanische Staatschefs mit einer fürstlichen Rente und einer Klinik für Altersbeschwerden zur Ruhe setzen können. Das wäre allemal billiger als weitere Blauhelm-Einsätze.

Doch so schadensbegrenzend die Straffreiheit auch sein kann - die meisten Herrscher lassen sich darauf nicht ein. Sie trauen dem Handel nicht, und das nicht ganz zu Unrecht: US-Präsident George W. Bush zum Beispiel bot im Juli an, Truppen zur Friedenssicherung nach Liberia zu schicken, sobald Diktator Charles Taylor das Land verlassen habe. Dieser lebt seit August in Nigeria, doch die USA wollen ihn nun dennoch vor ein Kriegsverbrecher-Tribunal bringen.

Ein anderes Beispiel, das fast den friedlichen Machtwechsel in Kenia verhindert hätte, ist Frederick Chiluba, der ehemalige Präsident von Sambia. Nachdem er nicht mehr zur Wahl antreten durfte, schickte er im Dezember 2001 Levy Mwanawasa ins Rennen, einen Mann, der ihn im Ruhestand beschützen sollte und deshalb als "Marionette" Chilubas verspottet wurde. Doch schon kurz nach dem Machtwechsel wurde der ehemalige Präsident von Mwanawasas Regierung wegen Korruption angeklagt, was auch den Kenianer Moi erschreckte. Derzeit steht Chiluba, der bis zu 300 Millionen US-Dollar in die eigene Tasche gewirtschaftet haben soll, vor Gericht.

In Ruhe gelassen

Auch Moi dürfte trotz seiner Immunität weiter besorgt sein. Zum einen haben seine Söhne, die in ungezählte Skandale verwickelt sind, keine garantierte Straffreiheit. Zum anderen ist die Summe von vier Milliarden US-Dollar, die er zur Seite geschafft haben soll, so hoch für ein verarmtes afrikanisches Land, dass der öffentliche Druck unberechenbar ist.

Und nachdem nun der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Arbeit aufgenommen hat, werden sich zum Beispiel auch die Herrscher in Togo, Äquatorialguinea, Guinea, Angola oder Kongo-Brazzaville überlegen, ob sie auf eine national garantierte Immunität vertrauen würden. Sie werden wohl eher eine postkoloniale Tradition fortführen und sich so lange an die Macht klammern, bis sie sterben oder gewaltsam vertrieben werden. Denn auch das Asyl ist nicht zu verachten - kein afrikanisches Land hat bislang einen Diktator ausgeliefert. Mobutu floh nach Marokko, Somalias Siad Barre nach Nigeria. Der Tyrann von Äthiopien, Mengistu Haile Mariam, lebt noch heute unbehelligt in Simbabwe, der Gewaltherrscher des Tschad, Hissene Habra, ist in Senegal.

Eines ist dabei allen Despoten im Ruhestand klar: In Afrika wird man - wenn man nicht gerade Weiße belästigt wie Mugabe oder Amerikaner provoziert wie Taylor - von der Weltgemeinschaft in Ruhe gelassen, egal, wie viele Morde man begangen, egal wie viele Milliarden man gestohlen hat. Das schillerndste Beispiel ist Idi Amin, der Schlächter von Uganda. Er starb im August dieses Jahres im saudiarabischen Exil - nach mehr als 20 Jahren Luxusleben mit Villa und Cadillac.

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