Strafe für die NPD:Die Zahlen stimmen nicht

Lesezeit: 3 min

Das Berliner Verwaltungsgericht macht der NPD wenig Hoffnung, die millionenschwere Strafzahlung an den Bundestag verhindern zu können.

M. Kotynek und M. Serrao

Den ganzen Vormittag lang war NPD-Chef Udo Voigt still neben seinem Rechtsanwalt gesessen und hatte den immer komplizierter werdenden Diskussionen der Juristen am Berliner Verwaltungsgericht zugehört. Da ging es um pikante Details wie die Unterschiede zwischen Verrechnung und Anrechnung, und wer sich mit dem Parteienfinanzierungsgesetz nicht auskannte, wusste bald nicht mehr, dass es um 305.000 Euro ging, welche die Bundestagsverwaltung der rechtsextremen NPD nicht auszahlen will.

Udo Voigt hat eine klare Meinung: Sämtliche Vorwürfe gegen die NPD seien "völlig absurd" und kein Zufall. (Foto: Foto: dpa)

Dann brach es aus Udo Voigt, 56, heraus: Sämtliche Vorwürfe seien "völlig absurd", rief er. Es sei kein Zufall, dass die NPD ausgerechnet im Superwahljahr 2009 zur Kasse gebeten werden solle. Voigt witterte eine politische Intrige. Man wolle die NPD "mausetot" machen, das gesamte Vorgehen sei "Willkür hoch drei".

Das hätte der NPD-Chef wohl besser nicht gesagt. Zuvor ging es nur um die Frage, ob es rechtens war, dass die Bundestagsverwaltung die erste Abschlagszahlung der NPD-Finanzierung für das Jahr 2009 - jene strittigen 305.000 Euro - einbehalten durfte. Da sich die Partei in einer finanziellen Notlage befindet, behielt die Behörde den Betrag vorsorglich als Sicherheitsleistung für die Strafzahlung von 2,5 Millionen Euro ein, welche der NPD wegen Fehlern in ihrem Rechenschaftsbericht für das Jahr 2007 droht. Doch nun ließ es sich die Vorsitzende Richterin Erna Viktoria Xalter nicht nehmen, den Vorwurf der Willkür zu entkräften - und rechnete Voigt die gröbsten Fehler in dem NPD-Bericht vor.

"Sie haben 2007 1,4 Millionen Euro Parteienfinanzierung erhalten, geben in Ihrem Bericht aber nur 561.000 Euro an", sagt sie. "Das war der Nettobetrag", antwortete Voigts Anwalt. "Im Gesetz steht aber, dass nur der Bruttobetrag angegeben werden darf", entgegnete Xalter. Und selbst wenn die NPD den Nettobetrag angeben wollte, dann "stimmen die Zahlen trotzdem hinten und vorne nicht". Dann käme man auf 579.000 Euro, und nicht auf 561.000, wie angegeben. "Egal, wie man rechnet, man kommt immer auf Fehler", sagte Xalter. Der Bürger könne anhand des NPD-Berichts nicht erkennen, wie hoch die Summen waren, mit denen die rechtsextreme Partei gefördert wurde.

Das Gericht entschied dennoch, dass die NPD einen Anspruch auf Auszahlung der 305.000 Euro habe - allerdings nur, wenn die Partei zuvor eine Sicherheitsleistung in gleicher Höhe bei Gericht hinterlege. Diese Entscheidung geriet jedoch zur Nebensache. Aus den Aussagen der Richterin geht hervor, dass der Widerstand der Partei gegen die millionenschwere Strafforderung des Bundes offenbar kaum Chancen hat - Richterin Xalter verhandelt auch diese Klage.

Dennoch gab sich Parteichef Voigt zuversichtlich. Er erklärte, dass er damit rechne, beim Sonderparteitag an diesem Samstag in Berlin-Reinickendorf als NPD-Chef wiedergewählt zu werden; erst am Dienstag hatte das Verwaltungsgericht der Hauptstadt gegen den Protest des zuständigen Bezirksamtes entschieden, dass die NPD im Ernst-Reuter-Saal am Eichborndamm tagen darf. Udo Pastörs, der Voigt dort als Parteichef ablösen will, räumte dieser am Freitag nur geringe Chancen ein.

In der rechtsextremen Szene sehen das viele anders - und erwarten am Wochenende eine Richtungswahl. "Alles entscheidend" nennt das tonangebende neonazistische Internetforum Altermedia den Parteitag in Berlin. Die Leser der Seite wurden am Freitag aufgerufen, ihren Tipp abzugeben: Voigt oder Pastörs? Beim Stand von 1037 abgegebenen Stimmen lag Pastörs mit 58 Prozent vorn.

Pastörs, 56, leitet seit 2006 die NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Der gelernte Uhrmacher tritt nach außen bürgerlich auf, zählt inhaltlich aber zum besonders radikalen Flügel der Partei. Er war einer der Ersten, die Voigt in der Parteispendenaffäre um den ehemaligen, inzwischen inhaftierten Bundesschatzmeister Erwin Kemna attackiert hatten. Voigt hatte sich bis zum Schluss vor Kemna gestellt.

Pastörs hat gute Chancen, neuer NPD-Chef zu werden. Sicher ist seine Wahl aber nicht. Denn für den fehlerhaften Rechenschaftsbericht war wohl der Vorsitzende seines Landesverbandes, Stefan Köster, verantwortlich. Er wurde nach Kemna Schatzmeister und muss beim Parteitag nun Rede und Antwort stehen. Pastörs und er arbeiten im Schweriner Landtag eng zusammen. In der NPD rechnen deshalb einige damit, dass Voigt am Wochende versuchen wird, die Hauptverantwortung für das Finanzdesaster von sich auf Köster zu schieben. Damit, heißt es, könnte der amtierende Parteivorsitzende versuchen, Pastörs zu treffen.

Holger Apfel, sächsischer NPD-Fraktions- und Vizeparteichef - und ein weiterer mächtiger Voigt-Gegner -, sagte auf Anfrage, dass es "unstatthaft" sei, Pastörs für die Finanzlage der Partei verantwortlich zu machen: "Der Fehler lag im System, das Kemna errichtet und Voigt zugelassen hat." Falls Pastörs am Wochenende neuer Parteichef wird, stünde er für sein Vorstandsamt wieder zur Verfügung. Unter Voigt "sicher nicht mehr".

© SZ vom 4.4.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: