Stoiber und die Kabinettsumbildung:Der bayerische Pfropfen

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Das schwarz-gelbe Schattenkabinett kann erst Gestalt annehmen, wenn sich Stoiber zwischen Berlin und München entschieden hat.

Von Peter Blechschmidt und Jens Schneider

Berlin - Der Schlüssel zur Besetzung eines schwarz-gelben Schattenkabinetts liegt vor allem in München. Der Kanzlerkandidatin Angela Merkel muss daran gelegen sein, den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und die CSU zentral einzubinden.

Das gilt schon für den Wahlkampf. Der CSU-Chef soll nach den Vorstellungen bayerischer Parteifreunde im Süden Deutschlands eine wichtige Rolle spielen, um dort mögliche Vorbehalte gegen Merkel - ein Fremdeln gegenüber der aus dem Norden stammenden Ostdeutschen - bei potenziellen Unionswählern auszugleichen.

Dazu würde passen, dass Stoiber im Kabinett ein Kernressort übernimmt. Obwohl ihm Ambitionen auf das Außenministerium nachgesagt werden, gilt als wahrscheinlich, dass er ein Super-Ministerium für Wirtschaft und Finanzen führen soll.

Von Stoibers Rolle hängt ab, wie weitere zentrale Posten besetzt werden. Dies wird bei der FDP durchaus bemerkt. "Stoiber sitzt", sagt ein Freidemokrat, "über allem wie ein Pfropfen."

Traditionell dürften die Liberalen das Außenamt für sich reklamieren, um die Reihe ihrer früheren Amtsträger Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel fortzusetzen.

Es könnte Konflikte mit der Union geben, falls Stoiber den prestigeträchtigen Job beansprucht. Sonst gilt FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt als Favorit. Er hat sich auf dem Kölner Parteitag mit einer außenpolitisch geprägten Rede für das Auswärtige Amt in Stellung gebracht.

Keine prominenten Fachpolitiker

Auch Parteichef Guido Westerwelle wurden Ambitionen auf den Posten nachgesagt, obwohl er nach Auskunft von führenden Parteimitgliedern nun den Fraktionsvorsitz bevorzugt - was besser zur zuletzt praktizierten Arbeitsteilung zwischen ihm und Gerhardt passen würde.

Westerwelle wird gelegentlich als Kandidat für das Innen- oder das Justizressort genannt.

Nur wenige der Kandidaten für die Unions-Kabinettsliste kommen aus der Bundestagsfraktion. Das Fehlen prominenter Fachpolitiker wie Friedrich Merz oder Horst Seehofer macht sich bemerkbar. Die von Merkel eingesetzten Nachwuchspolitiker werden zwar längst nicht mehr alle als politische Leichtgewichte wahrgenommen.

Doch könnte die Kabinettsbildung für den Juristen und Wirtschaftsexperten Ronald Pofalla oder den geschickt auftretenden Parlamentarischen Geschäftsführer Norbert Röttgen zu früh kommen. Sein Vorgänger, der heutige Generalsekretär Volker Kauder, wird als loyaler Merkel-Mann und kluger Organisator als Chef des Kanzleramts gehandelt.

Für das Amt des Innenministers wird auch der Fachmann Wolfgang Bosbach genannt. CSU-Spitzenmann Michael Glos gilt als aussichtsreicher Kandidat für das Verteidigungsministerium.

Sonst sind vor allem Ministerpräsidenten und Fachminister aus den Ländern im Gespräch. Beim Saar-Regierungschef Peter Müller geht der Blick lange schon übers Land hinaus. Er hat sich bundesweit in sozialpolitischen wie innenpolitischen Fragen profiliert.

Vom politischen Gewicht her käme auch der Hesse Roland Koch in Frage, freilich nur für eine herausragende Position. Immer wieder wird der Name des Merkel-Vertrauten Dieter Althaus ins Spiel gebracht. Doch der Thüringer betont, er bleibe in Erfurt.

Fest eingeplant ist Niedersachsens Sozialministerin Ursula von der Leyen, die bereits mit dem Vorsitz der Familienkommission betraut wurde, für das Gesundheitsministerium. Annette Schavan, Kultusministerin in Württemberg, könnte Bildungsministerin werden.

Weiteren Frauen aus den Ländern werden Chancen eingeräumt: Die junge hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger hat auf sich aufmerksam gemacht, Bayerns Sozialministerin Christa Stewens wird als Garantin für die soziale Komponente der CSU angesehen.

Aus München könnte auch Innenminister Günther Beckstein kommen, der CSU liegt an scharfem Profil auf diesem Feld . Das birgt wieder Potenzial für Reibungen mit der FDP. Die hat für die Bereiche Innen und Justiz qualifizierte Kandidaten.

Da ist zunächst die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die 1995 von diesem Amt zurücktrat, nachdem sich bei einer Mitgliederbefragung die Mehrheit für den Großen Lauschangriff ausgesprochen hatte.

Sie ist glänzend rehabilitiert, seit der Kölner Parteitag in dieser Frage eine Kehrtwende vollzog und sich für die totale Abschaffung des Lauschangriffs aussprach. Auch der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Max Stadler, wäre ministrabel.

Kompetenz beansprucht die FDP auch in der Wirtschaftspolitik. Vize-Chef Rainer Brüderle, langjähriger Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, macht sich Hoffnungen auf dieses Ressort im Bund.

Da könnte er wiederum einem Superminister Stoiber in die Quere kommen. Brüderle dürfte hoffen, dass Stoiber am Ende nicht in ein Kabinett Merkel eintritt. Wenn aber Stoiber Superminister für Wirtschaft und Arbeit werden würde, fiele eventuell den Liberalen das Finanzministerium zu - nach dem Prinzip, dass man einen großen Politikbereich nicht allein einem Koalitionspartner überlassen sollte.

Da hätte die FDP einen ausgewiesenen Fachmann aufzubieten: ihren Schatzmeister Hermann-Otto Solms. Der fühlt sich aber, so ist zu hören, als Bundestagsvizepräsident sehr wohl.

© SZ vom 25.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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