Stimmungstief in der CDU:Mit der Faust in der Tasche

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Früher haben sich CDU und SPD gezofft. Heute müssen sie gemeinsam Gesetze beschließen, von denen sie wissen, dass sie Murks sind.

Thorsten Denkler, Berlin

Der Rückzug von Merz ist es nicht, der die Abgeordneten der CDU im Bundestag umtreibt. Der war erwartbar, nur eine Frage der Zeit. Es ist Wolfgang Bosbach, ein Freund von Merz, der sie hat aufhorchen lassen. Bosbach, Vize der Bundestagsfraktion, ist einer, der immer loyal zur Kanzlerin gestanden hat, in guten wie in schlechten Zeiten.

Die schlechten Zeiten in der Großen Koalition, sie scheinen nicht aufhören zu wollen. Und nun sagt dieser Bosbach auf die Frage, ob auch er schon an Rückzug gedacht hat: "Noch bist Du nicht soweit. Und dann war ich erschrocken über das Wort noch."

Viele denken wie Bosbach Bosbach muss so einigen in seiner Fraktion aus der Seele gesprochen haben. "Viele denken so", sagt einer, der an der parlamentarischen Basis sitzt. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Da wären die Gesetze, die so schnell und schlecht gemacht sind, dass die Unionsleute sie einer rot-grünen Regierung mehrfach um die Ohren gehauen hätten. Und jetzt sitzen sie da, "mit der Faust in der Tasche", wie Bosbach sagt, und müssen Murksereien wie der Gesundheitsreform zustimmen. Versprochen hatten sie im Wahlkampf, es wenigstens handwerklich besser machen zu wollen.

Einer wundert sich heute über das "seltsame Gefühl", wenn im Bundestag der Oppositionsführer spricht, und er am liebsten ihm applaudieren möchte. Thomas Strobl, Abgeordneter der CDU und Generalsekretär seiner Partei in Baden-Württemberg, spricht es offen aus: "Die Gesundheitsreform hat der Union im bürgerlichen Lager in einem Maße geschadet, wie selten ein Gesetz zuvor."

Die Genossen feieren, die Konservativen müssen erklären In eine ähnliche Kategorie dürfte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz fallen, besser bekannt als Antidiskriminierungsgesetz. In der SPD wurde die Verabschiedung als nachträglicher Erfolg von Rot-Grün gefeiert. Den CDU-Politikern blieb nicht viel mehr, als die Kröte unter dem Druck möglicher Strafzahlungen an die Europäische Union zu schlucken und zuzustimmen. Dass sie das Gesetz dabei ziemlich entschärft haben, ist kaum noch zur Kenntnis genommen worden.

Es sind solche Gesetze, die in den Volkvertretern der CDU den Eindruck entstehen lassen, dass ihre "Koalitionsdisziplin ständig auf die Probe gestellt wird". Dazu kommt das eher mäßige Verhältnis zur SPD. Die meisten Abgeordneten der CDU verstehen sich mit denen der FDP besser als mit denen des eigenen Koalitionspartners.

Kein Wunder: Union und FDP einen sieben Jahre Opposition unter Rot-Grün und eine lange gemeinsame Regierungsvergangenheit. Manche trauen ihrem neuen Partner so wenig, dass sie alles gleich schriftlich festhalten, um ja nicht übers Ohr gehauen zu werden. Von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sind Union und SPD weit entfernt. Auf ein Bierchen gehen nach Dienstschluss nur die miteinander weg, die auch unter Rot-Grün schon gut miteinander konnten, berichtet einer, der da den Überblick hat. "Das haben wir uns anders vorgestellt."

Gunst der Großen Mehrheit Und dann ist da noch die Regierung. Sie nutzt die Gunst großen Mehrheit im Parlament und kann sich sicher sein: Die Koalitionsräson wird immer genug Abgeordnete mit Ja stimmen lassen. Gegen die Gesundheitsreform haben 23 Abgeordnete von CDU/CSU und 20 von der SPD gestimmt. Zu anderen Zeiten hätte das eine Regierung gesprengt. So hat es noch gereicht, damit SPD-Fraktionschef Peter Struck hinterher von einer "breiten Mehrheit" für das Gesetz sprechen kann.

Es gibt nicht wenige bürgerliche Abgeordnete, die sich von ihren Vorderleuten auf der Regierungsbank "nicht mehr ernst" genommen fühlen. Oder die sich wünschen, dass Kabinettsbeschlüsse, wie jetzt der über den Tornado-Einsatz in Afghanistan, vorher auch mal mit den Fachpolitikern erörtert werden.

Die Frage ist, wie lange das noch gut geht. "Irgendwann ist dann mal Ende", sagt einer. Das klingt wohl nicht umsonst wie Drohung.

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