Steinmeier in Afghanistan:"Sicherheitslage hat sich verschlechtert"

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Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem Besuch im Afghanistan dem Land weiterhin Hilfe beim Aufbau zugesichert.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat Afghanistan die weitere Unterstützung Deutschlands bei Aufbau und Reform von Armee und Polizei zugesichert. Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich im vergangenen Jahr verschlechtert und die Aggressivität der im Süden des Landes aktiven aufständischen Kräfte sei größer geworden, sagte Steinmeier am Samstag in einer von Deutschland aufgebauten Ausbildungsstätte für die afghanische Armee in Kabul.

Informiert sich über die Sicherheitslage in Afghanistan: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. (Foto: Foto: AFP)

Aus diesem Grund müsse die Ausbildung von Soldaten und Polizisten in Afghanistan forciert werden. Die Internationale Gemeinschaft und Deutschland stünden dabei fest an der Seite Afghanistans.

Steinmeier eröffnete mit Afghanistans Verteidigungsminister Abdel Rahim Wardak auf dem Schulungsgelände im Stadtzentrum Kabuls ein neues Unterkunftsgebäude für 160 Kursteilnehmer, die dort unter anderen in den Bereichen Kfz-Wartung und Nachschubversorgung ausgebildet werden. Die Kosten beliefen sich auf 600 000 Euro, die Bauzeit auf sieben Monate. Im kommenden Jahr soll außerhalb Kabuls ein weiterer Standort der Logistik-Schule entstehen.

Des weiteren begrüßte Steinmeier die Bereitschaft Abchasiens zur Teilnahme an Gesprächen über eine Lösung des eskalierenden Konfliktes mit Georgien. Dies sei ein wichtiges Signal, sagte er. Die abchasische Seite hatte am Freitag eine Einladung zu Gesprächen mit der so genanten UN-"Freundesgruppe Georgiens" sowie Georgien grundsätzlich angenommen.

Am zweiten Tags seines Überraschungsbesuchs in Afghanistan informierte sich Steinmeier über den Aufbau des zerstörten Landes. Im Mittelpunkt seines Programms stand die EU-Mission zur Stärkung der Polizeikräfte. Für den Abend waren Gespräche mit Präsident Hamid Karsai und Außenminister Rangin Dadfar Spanta vorgesehen.

Wichtigster regionaler Taliban-Anführer getötet

Unterdessen haben afghanische Sicherheitskräfte im Einsatzgebiet der Bundeswehr im Nordosten des Landes nach Regierungsangaben den wichtigsten regionalen Taliban-Anführer getötet. Das Innenministerium in Kabul teilte am Samstag mit: "Mullah Usman wurde getötet, als Militante unter seinem Kommando einen Kontrollposten der Polizei im Distrikt Kalafgan (in der Provinz Tachar) angriffen." Usman sei der oberste Kommandeur der radikalislamischen Taliban in der Nordost-Region gewesen.

Überschattet wurde Steinmeiers Besuch von einem Zwischenfall in der südafghanischen Provinz Helmand. Dort töteten NATO-Soldaten irrtümlich vier afghanische Zivilisten und verletzten drei weitere. Die Soldaten schossen an einem Kontrollpunkt auf ein Auto, das trotz Aufforderung und Warnschüssen nicht angehalten hatte. Die NATO "bedauert diesen unnötigen Zwischenfall zutiefst", hieß es in einer Erklärung.

Steinmeier war am Freitag zu dem bis dahin geheim gehaltenen Besuch in Afghanistan eingetroffen. In dem Land sind 3.500 Bundeswehr-Soldaten stationiert, das Kontingent soll im Herbst um weitere 1.000 Mann aufgestockt werden. Der Außenminister hatte zunächst die Stadt Herat im Westen des Landes besucht und war von dort nach Kabul weiter gereist.

Steinmeier will bis zu 120 Polizisten entsenden

Dort traf er nach Angaben des Auswärtigen Amts am Samstag morgen zunächst den EU-Sonderbeauftragten für Afghanistan, Francesc Vendrell. Über die Europäische Polizeimission sollte ihn der deutsche Missionsleiter, Brigadegeneral Jürgen Scholz, informieren.

Die Mission, an der 21 Staaten beteiligt sind, war vor einem Jahr gestartet. Insgesamt 231 Polizei- und Rechtsstaatsexperten sollen afghanische Stellen in erster Linie bei der Entwicklung einer Strategie für Innenministerium, Kriminal- und Grenzpolizei beraten. Steinmeier hat angeregt, die Mission zu verdoppeln.

Deutschland will bis zu 120 Polizisten entsenden. Außerdem engagiert sich die Bundesregierung bei der Ausbildung afghanischer Polizisten. Insgesamt haben nach Angaben des Auswärtigen Amts inzwischen 24.000 Polizisten Schulungen mit deutscher Hilfe durchlaufen.

Steinmeiers Ziel bei der bis Montag angesetzten Reise ist es, sich ein Gesamtbild des deutschen Engagements und der internationalen Einsätze zu verschaffen. Deutschland ist nach den USA und Großbritannien drittgrößter Truppensteller in Afghanistan. Seit Juli stellt die Bundeswehr auch eine schnelle Eingreiftruppe, außerdem ist Deutschland Führungsnation im Norden des Landes.

Niebel gegen stärkeres deutsches Engagement in Afghanistan

In Deutschland ging die Debatte über ein stärkeres Engagement in Afghanistan unterdessen weiter. Nach der Forderung des US-Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama nach stärkeren Anstrengungen Europas meldete die FDP Widerspruch an. Gegebenenfalls gelte es, auch Obama gegenüber "Nein zu sagen", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel der Neuen Osnabrücker Zeitung.

"Es muss deutlich werden, dass wir ein starkes, auch militärisches Engagement in Nord-Afghanistan haben, dass wir dort wichtige Arbeit leisten, und dass die USA mit keinem darüber hinaus gehenden Engagement Deutschlands rechnen können", meinte der FDP-Politiker. "Wir dürfen die Grenzen dessen, was leistbar ist, nicht überschreiten."

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