Steinmeier auf Sommertour:Auslandsreise nach Brandenburg

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Der Außenminister kann sein Amt auch in der Provinz nicht ablegen. Wenn er Kanzler werden soll, muss er das noch üben.

Thorsten Denkler, Jüterbog

Rita Neumann verhandelt im Garten des Gutes Schmerwitz noch mit den Fotografen. Genauer: Sie verhandelt nicht. Sie bestimmt, dass sie auch mit aufs Bild kommt, wenn der Außenminister gleich zur Presse spricht. Seit Jahrzehnten arbeitet sie auf dem Hof, der seit der Wende auf Bio umgestellt ist. Sie ist hier Betriebsleiterin. Mit anderen Worten: Chefin.

Frank-Walter Steinmeier im lockeren Gespräch in seinem Wahlkreis. (Foto: Foto: Getty Images)

Das Bild ist gut vorbereitet. Am Boden hocken drei Jungs, neben sich eine Kiste mit grünen Äpfeln. Links daneben steht die Tochter des Gutsbesitzers, Gloria Maria van Schoonhoven, mit einem Strauß Sommerblumen im Arm im lila karierten Kleid mit Rüschenkragen. Vier glückliche Kinder und der Außenminister. Und Rita Neumann natürlich. Ein schönes Bild. Bilder wie man sie von der Sommertour des Außenministers und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden durch Brandenburg erwartet.

Doch dann kommt die Nachricht vom Tod eines Bundeswehrsoldaten in Schmerwitz an. Steinmeier stellt sich den Fragen. Er spricht, die Stirn in Falten, von einem "feigen Anschlag". Sein Mitgefühl gelte den Angehörigen. Neben ihm ragt eine Linde in die Höhe, hinter ihm kichern die Kinder.

Ein Reporter will wissen, wie es ihm damit gehe, unter diesen Umständen auf Tour zu gehen. Steinmeier sagt, bessere Umstände gebe es für einen Außenminister selten.

Schöne Bilder aus der Provinz

Dann dreht er sich um, geht zu den Kindern und Betriebsleiterin Neumann. Ein Trio aus Querflöte, Gitarre und Cello spielt "Kind of the Fairies", eine irische Volksweise. Kontraste im brandenburgischen Hinterland.

Bis Freitag ist Steinmeier auf Sommertour durch Brandenburg. Wenn die Weltlage sich nicht noch dramatisch ändert. Der erste Tag führt ihn durch den Wahlkreis 60, den er im kommenden Jahr gewinnen will und von Parteifreundin Margit Spielmann übernimmt. Sie hört aus Altersgründen auf.

Auf dem Programm an diesem Mittwoch: ein Unternehmen in Brandenburg an der Havel, das Satellitenaufnahmen für die Landwirtschaft aufbereitet. Der Biobauernhof Gut Schmerwitz. Ein Stadtbummel durch Belzig mit Spaziergang zur Burg Eisenhardt und anschließender Feuerwehrübung. Eine deutschlandweit einmalige 200-Meter-Bahn für Speed-Skater in Jüterbog. Der Erlebnishof Werder, ebenfalls Jüterbog.

Die weite Welt kommt manchmal dazwischen

Zwischendurch Außenpolitik vom Dienstwagen aus. Mit den Kollegen telefonieren. Die Reise hätte schon Dienstag beginnen sollen. Aber da musste Steinmeier nach London und am Nachmittag der SPD-Bundestagsfraktion Bericht erstatten. Nach der Landung in Berlin erfährt er, dass die Russen Südossetien und Abchasien als Staaten anerkennen.

Steinmeier wird noch am gleichen Abend eine kurze Rede auf dem Sommerfest des SPD-Ortvereins Brandenburg an der Havel nutzen, um vor der großen Krise nach dem Ende des Kalten Krieges zu warnen. Über eine Stunde verspätet kommt er an der Havel an. Er hat wahrscheinlich noch das gleiche weiße Hemd an, mit dem er am Morgen dem britischen Außenminister gegenübertrat.

Unter den dichten Ahornbäumen an der Havel ist London weit weg. Hier ist Kommunalwahlkampf. Einige Genossen tragen Schildchen in Ortschild-Optik am Revers. "Ich bin wählbar", steht da drauf. Bei einigen Spitzengenossen in Berlin käme einem so ein Satz derzeit mutig vor.

Steinmeier will auch wählbar sein. Zumindest für die Brandenburger in seinem Wahlkreis. Seinem ersten Wahlkreis. Bisher hat er Karriere an den Parteiniederungen vorbei gemacht. Keine Ochsentour, kein Stallgeruch. Und doch gilt es in Berlin schon als ausgemacht, dass er der Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagwahl 2009 wird. Fragen danach lässt er nicht zu. "Darüber reden wir hier nicht", herrscht er einen Journalisten an, der es dennoch versucht.

Die Botschaft für die Reise: Er beginne, hier "heimisch" zu werden. Er begründet das darauf, dass das ja schon seine zweite Sommerreise durch Brandenburg sei. Da trifft er Menschen, die er vor einem Jahr schon mal getroffen hat. Er umarmt sie dann oder klopft ihnen kräftig auf die Schulter. Heimatgefühlsausbrüche eines Durchreisenden.

Diesmal im Minister-Look

Stellt sich die Frage: Geht das überhaupt, dieses schwere Amt und gleichzeitig Wahlkreiswahlkampf? Geschweige denn Wahlkampf auf Bundesebene? Steinmeier erinnert daran, das auch schon andere Außenminister erfolgreich Wahlkampf gemacht hätten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Steinmeier immer verbindlich unverbindlich bleibt.

Das ist richtig. Letztes prominentes Beispiel war Joschka Fischer. Wahlkampf konnte der schon bei Amtsantritt wie kein anderer. Im Außenministersein dagegen kann Steinmeier keiner was vormachen. Das Amt sitzt ihm wie ein Maßanzug, der nur darauf gewartet hat, von Steinmeier getragen zu werden. Nur schafft er es kaum, den dunklen Anzug mal abzulegen. Im vergangenen Jahr versuchte er noch leger, in beiger Hose Lockerheit zu demonstrieren. Diesmal spart er sich auch das.

Frank-Walter Steinmeier fährt mit einer Draisine zu einem Erlebnishof in Werder. Mit dabei: die SPD-Bundestagsabgeordnete Margrit Spielmann (l.). (Foto: Foto: dpa)

In Werder, einem Ortsteil von Jüterbog, leben 89 Menschen und 60 Pferde. Außerdem gibt es einen erfolgreichen "Erlebnishof". Ortsteilbürgermeisterin ist Elisabeth Jäger. Eine Bäuerin mit Schwielen an den Händen und ohne Berührungsängste. Entschlossen hält sie dem Außenminister im Innenhof des Erlebnishofes ihr Gästebuch unter die Nase. Da hat auch Klaus Wowereit schon reingeschrieben. Und Christina Rau. Das Buch ist ihr ganzer Stolz.

Der Diplomat an der Havel

Sie redet, Steinmeier schreibt. Sie redet, Steinmeier hört zu, schreibt weiter, stellt kurze Nachfragen. Als Steinmeier fertig ist und auch die Autogrammkarte unterschrieben hat, die Elisabeth Jäger auf die gegenüberliegende Seite einkleben wird, zeigt sie jedem den Eintrag, der auch nur interessiert zu ihr herüberschaut.

Steinmeier hat geschrieben, was er auch gleich über den Erlebnishof sagen wird: Er wünsche eine "stabile und kräftige Aufwärtsentwicklung". Ähnliches soll er auch Amtskollegen schon mit auf den Weg gegeben haben.

Wer ihn auf Auslandsreisen erlebt hat, bemerkt, dass er sich hier kaum anders verhält. Zwar ist er durchaus für einen Scherz zu haben, bei dem er dann sein löwenhaftes Schröderlachen auspacken kann. Aber er bleibt Diplomat, immer verbindlich unverbindlich.

Vielleicht gehört eine Wahlkreiskandidatur zu den Überforderungen seines Berufes. Gestern London, heute Erlebnishof Werder.

Der Rundgang über den Erlebnishof führt Steinmeier auch zu den Pferden. Da steht Jürgen Pasemann bereit, Ehrenvorsitzender des Reitvereins. Seine Hände zittern, aber es nicht ganz klar, ob es am Außenminister liegt oder doch an dem, was ihn umtreibt. Die Welt gerät aus den Fugen, weil Russland sich als neue Imperialmacht aufspielt. Aber Pasemanns Sorge gilt dem Missverhältnis zwischen der Förderung des Reitens und der des Skatens.

Ihr schönes Reitstadion mussten sie für eine Skater-Bahn hergeben. Ein schwerer Schlag. Jüterbog ist heute weit über die Landesgrenzen hinaus für seinen Fläming-Skate-Rundwege bekannt. Skate-Bahnen sind heute Markenzeichen der Region. Pferde nicht.

Pasemann regt sich auf: "Da investieren sie schon wieder Hunderttausende in neue Skater-Bahnen. Und für die Pferdefreunde bleibt nichts." Steinmeier hört zu, wirft einen Blick in den Pferdestall. Dann lobt er die Skater-Bahn und verliert über Pferde kein Wort. Das ist diplomatisch. Aber nicht bürgernah.

Der Außenminister muss da die Balance wohl noch finden. Vor allem, wenn er Kanzler werden will. Dafür sind solche Reisen eine wichtige Vorbereitung. Er macht es noch nicht perfekt. Aber offenbar besser, als alle anderen, die für diesen Posten in Frage kämen. Eine Mitstreiterin, die in Belzig für den Stadtrat kandidiert, sagt darauf: "Der ist schon besser als Beck. Sympathischer." Auf dieser Reise ist niemand zu finden, der dem widersprochen hätte. Die Kanzlerkandidatenfrage ist hier längst entschieden.

Aber auch das ist angesichts der Weltlage wohl eher ein zweitrangiges Problem.

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