Stasi-Behörde:"Herr der Akten" hat ausgedient

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(Foto: Jens Wolf/dpa)

Eine Kommission empfiehlt, die Stasi-Unterlagenbehörde bis 2021 ins Bundesarchiv einzugliedern, einen Behördenleiter soll es dann nicht mehr geben. Das gefällt nicht jedem.

Von Robert Probst, München

Die Sonderbehörde hat ihre Aufgabe als Sonderbehörde erfüllt. Das ist das Fazit einer Expertenkommission zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde. "Wir schlagen vor, dass einige der Strukturen für die Zukunft geändert werden sollten", sagte der Vorsitzende Wolfgang Böhmer, einst CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Abschlussberichts. 26 Jahre nach dem Fall der Mauer und dem spektakulären Sturm auf die Stasi-Zentrale im Januar 1990 wären die Empfehlungen eine große Zäsur: Demnach soll die Behörde, ein internationales Symbol für die Aufarbeitung von Diktaturen und Diktatur-Folgen, bis zum Jahr 2021 ins Bundesarchiv eingegliedert werden.

Nach den Vorschlägen der 13 Experten soll nun auf absehbare Zeit der Status einer eigenständigen Behörde abgeschafft werden. Die Archivbestände würden dann - am gleichen zentralen Ort wie bisher, dem Komplex in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg - "in sichtbarer Eigenständigkeit" unter das Dach des Koblenzer Bundesarchivs wandern. Das soll "ohne nachteilige Auswirkungen für die Nutzungsmöglichkeiten" der Menschen geschehen, die ihre Stasi-Unterlagen einsehen wollen. Immerhin sind dies Jahr für Jahr noch immer Zehntausende Personen. Statt eines Behördenleiters soll es künftig einen "Bundesbeauftragten für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und ihren Folgen" als Ombudsmann für die Stasi-Opfer geben. Er wäre dann nicht mehr "Herr der Akten" und damit von administrativen Aufgaben entlastet.

Für Hildigund Neubert, von 2003 bis 2013 Landesbeauftragte des Freistaats Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, sind die Empfehlungen dagegen ein "Signal, diese Institution der Freiheit zu schleifen". Sie hat als einziges Mitglied der Kommission ein Minderheitenvotum abgegeben. Sie glaubt, nun solle das "Skandalon der totalitären SED-Herrschaft mit ihren noch schmerzenden Nachwirkungen in den Abgründen der Geschichte, den Labyrinthen der Archive versinken". Zur Folge hätte die Umstrukturierung, dass die Aufklärung über das DDR-Unrecht verschwimme und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit schwinde. Roland Jahn, derzeit kommissarischer Leiter der Behörde, sagte, man werde die Vorschläge nun auf ihre Praxistauglichkeit abklopfen.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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