Staatsanwältin Lichtinghagen:Gutes tun und Schlechtes wollen

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Margrit Lichtinghagen hat für eine Kirche Geld gegeben, um so angeblich ihren Vorgesetzten in der Hand zu haben.

H. Leyendecker und J. Nitschmann

Der Fremde, der im Zimmer der Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen vorsprach, war ein Herr vom Scheitel bis zur Sohle. Nicht nur in seiner sauerländischen Heimat steht der pensionierte Klinik-Direktor Ulrich Gallenkamp in dem Ruf, ein wahrer Wohltäter zu sein. Wenn der Lüdenscheider mal wieder geehrt wird, bemühen die Lokalblätter gern Goethe: "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut".

Margrit Lichtinghagen: "Jetzt habe ich den Chef im Boot." (Foto: Foto: AP)

Aber die Welt ist oft schlecht - mal ist das Böse oben und das Gute unten. Nachdem der Besucher das Büro verlassen habe, so gab es jedenfalls eine Justizmitarbeiterin der Bochumer Staatsanwaltschaft am Montag dieser Woche zu Protokoll, habe Lichtinghagen ihr gesagt: "Jetzt habe ich den Chef im Boot."

Der Besucher wollte Geld für die Wiederherstellung der Rokokokirche St. Georg in Berka vor dem Hainich. Die 855 Einwohner zählende Gemeinde liegt in Thüringen, gut 310 Kilometer von der Bochumer Staatsanwaltschaft entfernt. Ebenso wie deren Behördenleiter Bernd Schulte ist Gallenkamp Rotarier; Schulte hatte ihn an Lichtinghagen verwiesen.

Laut Protokoll soll die Staatsanwältin der Mitarbeiterin erklärt haben, erst habe sie den Besucher "ausgefragt", jetzt werde sie versuchen, "in jedes Verfahren die Rokokokirche reinzubringen, um den Chef in der Hand zu haben". 250.000 Euro hat Lichtinghagen später aus Bußgeldern für die Kirchenrenovierung überweisen lassen. Warum will eine Staatsanwältin über etwas verfügen, was dem Leitenden Oberstaatsanwalt schaden könnte? Oder schwindelt die Justizmitarbeiterin, um die in Bochum in Ungnade gefallene Strafverfolgerin, die von Anfang nächsten Jahres an bei einem Amtsgericht arbeiten soll, in Misskredit zu bringen?

Die Geschichte, dass der Chef angeblich dem Rotarier-Freund behilflich gewesen sei, tauchte in diesen Tagen in der Financial Times Deutschland auf und las sich so: "Zeugen haben gehört, wie Lichtinghagen sich aufregte, als sie später erfuhr, dass der Kirchenaufbau ein Projekt des Rotary-Clubs Lüdenscheid" sei, dem ihr Chef Schulte als Mitglied angehöre.

Peinliche Erklärungen

Wer spielt hier falsch? Der Vermerk ist Teil eines von der Bochumer Staatsanwaltschaft für das Düsseldorfer Justizministerium erstellten Dossiers über Lichtinghagen, die bis vor kurzem noch in den Medien als unerschrockene Heldin gefeiert wurde. Das Wort dubios reicht nicht, um die Verhältnisse zwischen der Star-Staatsanwältin und ihren Vorgesetzten annähernd zu umschreiben.

Da ist die Geschichte mit dem Wirtschaftsprüfer Professor Jörg-Andreas Lohr, der auch Vorstand der Flick-Privatstiftung ist. Lohr war neulich bei der Noch-Staatsanwältin, als sich die Behördenleitung mal wieder über deren angebliche Eigenmächtigkeiten aufregte. Sie solle sofort zum Chef, zu dessen Stellvertreter und dem Abteilungsleiter kommen, verlangte die Leitung am Telefon. Das gehe nicht, Herr Lohr sei im Büro, soll Lichtinghagen geantwortet haben. Der Wortwechsel wurde lauter.

Der Besucher will die Aufforderung verstanden haben, er, Lohr, solle rausgeworfen werden und beschwerte sich im Justizministerium heftig über diesen Ton. Die Amtsleitung musste peinliche dienstliche Erklärungen abgeben und registrierte später bei der Aufarbeitung erstaunt, dass die Staatsanwältin im Vorjahr ein Hochschul-Institut, dem Lohr nahe steht, mit 125000 Euro ausgestattet hatte. "Alles normal" sagt Lohr dazu.

Der Wirtschaftsprüfer ist den Umgang mit größeren Summen gewohnt, aber komisch ist es doch, wie Lichtinghagen augenscheinlich unkontrolliert jahrelang mit Millionensummen hantierte. Laut Landesrechnungshof hat die Staatsanwaltschaft Bochum alleine zwischen 1999 und 2007 insgesamt 34 Millionen Euro an Geldbußen verhängt - so viele wie keine andere Ermittlungsbehörde im Land. Nur sechs Millionen der Bochumer Bußgelder flossen in die Staatskasse, knapp 28 Millionen Euro wurden gemeinnützigen Einrichtungen zugewiesen.

"Nur den Himmel über mir"

Die Bochumer Amtsleitung geht dem Verdacht nach, dass Lichtinghagen Institutionen auch aus persönlichen Gründen bevorzugt haben soll, was diese bestreitet. Lichtinghagen habe bei der Vergabe millionenschwerer Bußgelder aus ihren Liechtenstein-Verfahren "den bösen Anschein der Parteilichkeit" erweckt, erklärte die Düsseldorfer Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) im Landtag.

Die Staatsanwältin hatte einige Millionen der klammen Privatuni Witten/Herdecke zukommen lassen. Ihre Tochter, die dort studieren wollte, war zunächst abgelehnt worden, dann wurde sie doch aufgenommen und die Liechtenstein-Fahnderin bedachte die Uni weiter. "Der böse Anschein ist hier nicht von der Hand zu weisen", sagte die Ministerin. Andererseits seien der 54-Jährigen bei den Vergaben von Bußgeldern "keine persönlichen Vorteile" nachzuweisen. Deshalb werde sie womöglich mit einer Ermahnung davon kommen.

Auch würden die Vorwürfe gegen Behördenchef Schulte durch die Generalstaatsanwaltschaft Hamm geprüft. Sollte der Generalstaatsanwalt, der Schulte nahe steht, befangen sein, "werde ich die Ermittlungen an mich ziehen", sagte die Justizministerin im Landtag. Das Hauen und Stechen geht also weiter. Gallenkamp und dessen Freunde dürfen jedoch nicht mehr auf Geld aus Bochum hoffen.

Die Leitung der Staatsanwaltschaft zog die Reißlinie, als sie herausfand, dass für den Kirchenaufbau Geld auf zwei unterschiedliche Konten "unter zwei verschiedenen Bezeichnungen" geflossen waren. Was für eine düstere Welt. "Als Amtsrichterin habe ich nur den Himmel über mir, aber keine Vorgesetzten", soll Lichtinghagen neulich gesagt haben.

© SZ vom 20.12.2008/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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