Sprechstunden:Patienten in Terminnot

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Berufstätige wünschen sich beim Arzt flexiblere Sprechzeiten: vor acht Uhr morgens, nach 18 Uhr und am Wochenende. Der Vorsitzende des Hausärzteverbands hat dafür Verständnis, findet aber anderes wichtiger.

Von Kim Björn Becker, München

Viele Patienten in Deutschland sind offenbar unzufrieden mit den Sprechzeiten der niedergelassenen Ärzte. Insbesondere Berufstätige wünschen sich, dass Mediziner verstärkt Sprechstunden außerhalb der regulären Zeiten anbieten. Gefragt sind vor allem Termine vor acht Uhr morgens, nach 18 Uhr abends sowie am Wochenende. Allerdings bestellen nur wenige Arztpraxen ihre Patienten zu diesen Zeiten ins Wartezimmer. Das legt eine Umfrage des Medizin-Portals Jameda nahe, deren Ergebnisse am Montag veröffentlicht wurden. Demnach wünschen sich 56 Prozent der Befragten Sprechstunden außerhalb der üblichen Zeiten. Nach Angaben des Internetportals bieten nur zehn Prozent aller niedergelassenen Ärzte Sprechstunden nach 18 Uhr an, vor acht Uhr morgens sind es sechs Prozent, am Wochenende zwei Prozent. Die Zahlen sind nicht repräsentativ, können aber durchaus als eine Tendenz aufgefasst werden.

Der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, nannte den Wunsch der Patienten "verständlich". Zugleich mahnte er, dass viele Hausärzte schon jetzt übermäßig viel arbeiteten, teils fünfzig bis sechzig Stunden pro Woche. "Die Ressourcen sind begrenzt", sagte Weigeldt. Anstatt die Arbeitsbelastung der Mediziner weiter zu steigern, wie es ausgeweitete Sprechzeiten wohl zur Folge hätten, müsse sichergestellt werden, "dass es auch künftig eine flächendeckende, qualitativ hochwertige hausärztliche Versorgung" gebe. Eine repräsentative Forsa-Umfrage, die vor fünf Jahren vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung in Auftrag gegeben wurde, ergab, dass niedergelassene Haus- und Fachärzte in Deutschland im Schnitt 29 Stunden pro Woche Sprechstunde haben. Rechnet man noch vereinbarte Sondertermine und Hausbesuche ein, kommen viele Mediziner auf 36 Stunden pro Woche. Verwaltungs- und Abrechnungstätigkeiten sind darin noch nicht enthalten.

Dass die Terminnot deutscher Patienten offenbar nicht ganz so groß ist wie es bisweilen dargestellt wird, zeigen die jüngsten Erfahrungen mit den sogenannten Terminservicestellen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu Jahresbeginn per Gesetz gezwungen, entsprechende Terminbörsen aufzubauen. Ziel ist, dass kein Patient länger als vier Wochen auf einen Termin beim Facharzt warten muss. Die Servicestelle in Niedersachsen meldete bis Ende Juli ein deutlich geringeres Interesse als zunächst angenommen. So wurden bis zum 22. Juli insgesamt 7401 Termine an Kassenpatienten vermittelt. Im Durchschnitt meldeten sich 250 Anrufer pro Tag. Die KV Niedersachsen war bei ihren Planungen aber von etwa 5000 Telefonkontakten pro Tag ausgegangen.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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