Spitzelaffäre:Attacken ohne Risiko

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Einen widerborstigen Abgeordneten oder Minister könnte Stoiber einfach kalt stellen, eine Landrätin hingegen ist von der Staatskanzlei kaum zu kontrollieren: Gabriele Pauli hat nichts zu verlieren.

Uwe Ritzer

Gabriele Pauli zeige in diesen Tagen zwei Gesichter, philosophiert ein ranghoher CSU-Mann. Das eine zeige eine erfolgreiche und selbstbewusste Polit-Managerin im besten Politikeralter.

Gabriele Pauli: Mischung aus unkomplizierter Leutseligkeit und distanzierter Damenhaftigkeit. (Foto: Foto: dpa)

Das andere gehöre einer unzufriedenen Frau, die sich nach 16 Jahren als Landrätin des kleinsten bayerischen Landkreises schrecklich langweile, zu Höherem berufen fühle und frustriert sei, weil sie dabei auf der Stelle trete.

Also wärme sie sich ersatzweise im Scheinwerferlicht der vielen Kameras, die sich momentan auf sie richten, weil Edmund Stoibers engster Mitarbeiter ihr Privatleben ausspioniert hat.

Nun aber, sagt der CSU-Grande, müsse es genug sein. Denn am Ende liebe die Partei zwar den Verrat, nicht aber die Verräterin. ,,Wenn sie jetzt weitermacht, schadet sie sich selber.'' Sie wird weitermachen, warum sollte Gabriele Pauli auch aufhören?

"Ich habe keine Angst um meine Zukunft", sagt die 49-Jährige und klingt nicht wie jemand, der sich selbst Mut macht. Sie weiß, spätestens seit sie im Internet Stoiber-Kritikern ein Forum bot, dass ihr der ersehnte Kabinettsposten auf immer und ewig verwehrt bleiben wird, zumindest unter Stoiber.

Kann Pauli eine profilierte Galionsfigur für die Freien Wähler werden?

Gabriele Pauli spielt "Alles oder Nichts", aber mit überschaubarem Risiko. Einen widerborstigen Abgeordneten oder Minister kann Stoiber einfach kalt stellen, wie nicht nur das Beispiel Alfred Sauter zeigte.

Ein Landrat hingegen ist von der Staatskanzlei kaum zu kontrollieren, vor allem dann nicht, wenn er sich großen Rückhalts in der Bevölkerung erfreut. Wie Gabriele Pauli, deren Mischung aus unkomplizierter Leutseligkeit und distanzierter Damenhaftigkeit ankommt beim Wählervolk im Fürther Land.

Bei der Landratswahl 2002 fuhr sie in dem ehedem tiefroten Landkreis 65 Prozent der Stimmen ein und ihre Wiederwahl 2008 gilt als Formsache. Würde man sie aus der CSU ekeln, ließe sich Pauli wohl von einer freien Bürgerliste nominieren, womöglich sogar von den Freien Wählern. Für die würde sie jene profilierte Galionsfigur abgeben, die FW-Landeschef Hubert Aiwanger gerne wäre.

Beckstein: "Tratsch unter Parteifreunden doch nichts Ungewöhnliches"

Welche Gefahr aus dieser Konstellation für Stoiber ausgeht, haben CSU-Spitze und Staatskanzlei nicht erkannt. Paulis Spitzelvorwürfe wurden erst ignoriert, dann kleingeredet und inzwischen als Tat eines Einzelnen abgetan.

Stoiber selbst ließ die Landrätin mehrmals kalt abblitzen und dann verlauten, er müsse ganz große politische Räder drehen und habe für Kleinigkeiten wie eine Spitzelaffäre in seinem unmittelbaren Umfeld keine Zeit.

Als die CSU-Spitze mit dieser Strategie formidabel gegen die Wand gefahren war, versuchte die Männerriege, Pauli mit einem Mix aus Herablassung und Chauvinismus Herr zu werden.

Selbst nach seinem fast zweistündigen Gespräch mit ihr wunderte sich Beckstein, dass die Landrätin ob der Schnüffelei nach Männergeschichten und Alkoholproblemen ,,tief verletzt'' sei.

Wo doch ,,Tratsch unter Parteifreunden nichts Ungewöhnliches sei'', wie Beckstein sagte.

Beckstein hat nun selbst ein Problem. Er schafft in seinem CSU-Bezirksverband nicht mehr, was in der Partei auch Stoiber und seinem Generalsekretär Markus Söder kaum noch gelingt: das Parteivolk in Schach zu halten. Dass vor allem viele fränkische Kommunalpolitiker Pauli unterstützen, hat nicht nur mit landsmännischer Solidarität zu tun.

Viele Bürgermeister und Landräte sind nach wie vor verdrossen darüber, dass Stoiber, als er noch in bundespolitischen Sphären schwebte, für ihre Anliegen kein Ohr hatte. Auch nachdem er sich aus Berlin nach München zurückgeschlichen hat, wird der Staatshaushalt auf Kosten der Kommunen saniert und Reformen, etwa im Schulbereich, autoritär durchgedrückt.

Als Sprecherin der mittelfränkischen Landräte kennt Gabriele Pauli diese Stimmungslage. Ob das aber reicht, die Mehrheitsverhältnisse in der CSU zu kippen, ist fraglich.

© SZ vom 27.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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