SPD-Vorsitz:Nahles gebremst, Nahles beschützt

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Wie es am Dienstag dazu kam, dass Olaf Scholz nun kommissarisch bis April die Partei führt.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Drei für die SPD: die Bald-Vorsitzende Andrea Nahles, Generalsekretär Lars Klingbeil und der kommissarische Vorsitzende Olaf Scholz (rechts). (Foto: AP)

Bei der SPD galt ja zuletzt die ungeschriebene Regel, dass mindestens jeder zweite Tag eine Wendung bringen würde, mit der noch am Morgen nicht zu rechnen war. Und so kam es auch am Dienstag.

Noch am Nachmittag deuteten die Anzeichen darauf hin, dass die engste Parteispitze an ihrem Plan festhalten würde, Fraktionschefin Andrea Nahles als Nachfolgerin des gescheiterten Martin Schulz zur kommissarischen Parteichefin zu machen. Daran hatten auch die teils massiven Bedenken nichts geändert, wonach eigentlich zunächst einer der stellvertretenden Vorsitzenden übernehmen müsse - zumal Nahles, so die Argumentation diverser Genossen, nicht einmal gewähltes Mitglied des Parteivorstands sei. Am Ende des Tages stand dann aber folgende Lösung: Nahles stellt sich beim Parteitag am 22. April zur Wahl - bis dahin führt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz kommissarisch die Geschäfte. Wie kam es zu dieser Wendung?

Die designierte Chefin bat um Bedenkzeit, die Sitzung wurde unterbrochen

Nach Schilderungen aus Parteikreisen traf sich am Dienstagnachmittag zunächst die sogenannte Montagsrunde. Dabei handelt es sich nicht um ein offizielles Gremium, sondern um ein informelles Format, bei dem sich die engste Parteispitze zusammensetzt. In diese Runde kam Nahles nach übereinstimmenden Schilderungen noch mit dem Vorsatz, den erst wenige Tage zuvor verabredeten Plan durchzuziehen und am selben Tag kommissarisch den Vorsitz zu übernehmen. In der Runde wurden dann trotzdem noch verschiedene Szenarien diskutiert und auch Bedenken vorgetragen. Am Ende einigte man sich aber darauf, dabei zu bleiben: Nahles solle sofort die Führung übernehmen. Damit ging man ins anschließend tagende Präsidium.

Dort gab es dann mehrere Redner, die Bedenken vortrugen. Einer von ihnen war der ehemalige Generalsekretär Hubertus Heil. Er leitete seine Wortmeldung laut Teilnehmern mit den Worten ein, dass Andrea Nahles Parteivorsitzende werden müsse. Allerdings, so Heil sinngemäß, dürfe sie sich nun keinesfalls bereits zu Beginn schwächen. Diese Gefahr sah Heil für den Fall gegeben, dass Nahles trotz aller im Raum stehenden Bedenken sofort kommissarisch den Vorsitz übernehmen würde. Stattdessen schlug er ein anderes Modell vor: Nahles solle als designierte Vorsitzende faktisch die Führung der Partei übernehmen - die eigentlich juristisch relevanten Geschäfte aber sollten die sechs stellvertretenden Parteivorsitzenden, der Generalsekretär und die Bundesgeschäftsführerin übernehmen, bis Nahles gewählt sei. Seinen Vorschlag hatte er sich offenkundig länger überlegt, jedenfalls hatte er ihn ausgedruckt vor sich liegen.

Dafür gab es Zuspruch, auch andere Teilnehmer der Präsidiumssitzung äußerten Bedenken, etwa der Berliner Landesvorsitzende Michael Müller, dessen Landesvorstand zuvor bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst hatte: Man unterstütze Nahles als künftige Parteichefin, aber der kommissarische Vorsitz solle anders geregelt werden. Nahles war laut Teilnehmern sichtlich nicht begeistert. Doch offenbar sah sie, dass sie mit ihrem ursprünglichen Ansinnen nicht durchkommen würde.

Also bat sie um Bedenkzeit. Die Sitzung wurde unterbrochen. Danach machte Nahles jenen Vorschlag, der die Zustimmung aller Teilnehmer fand: Die kommissarische Führung solle Olaf Scholz übernehmen, der gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig dienstältester Stellvertreter ist - und einer von Nahles' Vertrauten. Damit waren auch in der anschließenden Sitzung des Vorstands alle einverstanden. Und Nahles pries Scholz als "sehr gute Lösung"

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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