SPD-Streit:Münteferings Liebeslied

Die Agenda 2010 zu ändern, wie SPD-Chef Beck das will, wäre in jeder Hinsicht töricht. Denn damit würden sich die Sozialdemokraten eines ihrer wenigen Erfolge berauben.

Claus Hulverscheidt

Wer ist eigentlich Franz Müntefering? Alle, die sich zuletzt gefragt haben, warum der Vizekanzler so vehement Front gegen die Arbeitsmarktpläne seines Parteivorsitzenden Kurt Beck macht, dürften seit diesem Donnerstag etwas klarer sehen.

Denn Müntefering hat die Antwort im Bundestag selbst gegeben: Er sieht sich als Garant dafür, dass es bei der Politik der Agenda 2010 bleibt, und als Lordsiegelbewahrer der Großen Koalition - solange die eben jene Politik mitträgt. Ihr, sagte Müntefering vor allem den eigenen Parteigenossen, werdet dem rot-schwarzen Bündnis eines Tages noch nachweinen.

Für sein Hohes Lied auf die Große Koalition hat Müntefering gute Gründe - ungeachtet aller Mängel, welche die Bilanz selbstverständlich auch aufweist: Die Arbeitslosigkeit ist erheblich gesunken, insbesondere unter älteren Menschen. Ein Grund dafür ist, dass der Staat nur noch maximal 18 Monate Arbeitslosengeld I zahlt. Die Agenda nun ausgerechnet in diesem Punkt zu ändern, wie Beck das will, wäre in jeder Hinsicht töricht.

Müntefering wird Kompromiss zustimmen

Nicht weil das Reformprogramm sakrosankt wäre - das ist ein Totschlagargument all derer, die die Agenda von Beginn an nicht gewollt haben. Sondern deshalb, weil sich die Sozialdemokraten eines ihrer wenigen Erfolge berauben würde. Und weil die Arbeitslosigkeit unter Älteren schlicht wieder steigen würde.

Müntefering wird sich einem Formelkompromiss mit Beck aus Gründen der Parteiräson nicht verschließen. Seine Politik aber wird der Kurs des SPD-Chefs nie werden. Deshalb muss sich Beck am Ende entscheiden: für einen kurzfristigen Popularitätsschub an den Stammtischen oder für Franz Müntefering. Beides wird er nicht bekommen.hul

© SZ vom 12.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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