SPD:Geschlechterkrampf

"Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden." Der Satz hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Nun soll er wieder ins SPD-Grundsatzprogramm. Doch die Genossen verrennen sich in eine Diskussion über die Gleichstellung.

Nico Fried

Es waren wenige Sätze, aber mit gewaltiger Wirkung: 2003, als die SPD einen ersten vergeblichen Anlauf für ein neues Grundsatzprogramm nahm, forderte der damalige Generalsekretär Olaf Scholz, den Begriff des demokratischen Sozialismus zu streichen.

"Es gibt keinen Zustand mit diesem Namen, der auf unsere marktwirtschaftlich geprägte Demokratie folgen wird. Deshalb sollten wir nicht solche Illusionen erzeugen." Scholz zog Entrüstung in der Partei auf sich - aber auch beträchtliche Aufmerksamkeit jenseits der SPD, was für Programmdebatten nicht selbstverständlich ist.

Der aktuellen Diskussion über die neuen Grundsätze fehlt ein Reizthema, eine Ursache dafür, dass sie kaum Beachtung findet. Das aber könnte sich bald ändern: Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) und die Jungsozialisten (Jusos) wollen einen Satz zurück ins Programm holen, der schon als auf ewig getilgt galt:

"Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden." Das frauenpolitische Credo findet sich genau so im noch gültigen Berliner Programm von 1989. Es stand auch im ersten Entwurf der neuen Grundsätze vom Dezember 2006 - damals von manchem Spitzen-Mann in der SPD-Führung milde belächelt.

In der zuständigen Kommission kam es dann zunächst zur Debatte unter Frauen: Die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft, die einstige Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan und die Familienpolitikerin Kerstin Griese kritisierten den Satz als rhetorisch verstaubt und inhaltlich einer modernen Gleichstellungspolitik nicht mehr angemessen.

Befürworterin der alten Version war neben anderen Inge Wettig-Danielmeier, was insofern konsequent ist, als die gestrenge Schatzmeisterin schon seit Jahren die wechselnden Männer an der Parteispitze unter Kontrolle hält.

Am Ende verständigte sich die Kommission auf eine neue Formulierung: "Wer die menschliche Gesellschaft will, wer ein Leben in Partnerschaft will, muss die Gleichstellung von Frau und Mann hier und heute verwirklichen."

An der Basis jedoch, insbesondere der weiblichen, kommt das schon seit Wochen gar nicht gut an. Parteichef Kurt Beck musste sich wiederholt Kritik an der Neufassung anhören. Bei einer Veranstaltung in Düren vor einigen Wochen versprach er schließlich, die Formulierung überarbeiten zu lassen.

"Die nur formale Gleichstellung von Frauen und Männern reicht in vielen Lebenssituationen nicht aus", sagt die ASF-Vorsitzende Elke Ferner, eine von Becks Stellvertreterinnen im Parteivorstand. Es gebe nach wie vor strukturelle Benachteiligungen. "Kürzer und prägnanter kann man den Wunsch nach ihrer Beseitigung nicht ausdrücken", sagt Ferner über den Satz im Berliner Programm.

SPD-Vorstandsmitglied Griese sagt hingegen, junge Frauen wähnten sich heute nicht mehr im ständigen Kampf gegen eine männliche Gesellschaft. "Sie sind selbstbewusst und oft gut ausgebildet, sie wollen gleichberechtigt und partnerschaftlich leben."

Zwar sieht auch Griese natürlich noch immer Nachteile für Frauen. Dem sei aber nur mit einer modernen Gesellschaftspolitik beizukommen, in der es auch darum gehe, "dass Männer ihre Rolle in der Gesellschaft finden".

Jusos und ASF sind entschlossen, Ende Oktober in Hamburg eine Kampfabstimmung herbeizuführen. Sozialdemokraten, die sich auf Parteitagen auskennen, wagen keine Prognose. Die übereinstimmende Einschätzung lautet: "Das wird ganz knapp."

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