SPD-Fraktion stimmt überraschend zu:Biermann wird Ehrenbürger Berlins

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Die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus plädiert nach anfänglichem Widerstand überraschend klar für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den 1976 aus der DDR ausgebürgerten Künstler.

Philip Grassmann

Der Liedermacher Wolf Biermann wird Ehrenbürger Berlins. Die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus plädiert nach anfänglichem Widerstand überraschend klar mit 45 von 50 anwesenden Parlamentariern für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den 1976 aus der DDR ausgebürgerten Künstler.

Der Liedermacher Wolf Biermann. (Foto: Foto: AP)

Am Dienstagabend zeichnete sich ab, dass die Linkspartei/PDS sich bei der entscheidenden Abstimmung im Abgeordnetenhaus über den Antrag der Oppositionsparteien CDU, FDP und Grünen enthalten wird.

Spaltung vermieden

Damit würde eine Spaltung der rot-roten Koalition vermieden. Eine deutliche Mehrheit der SPD-Fraktion habe mit Ja gestimmt, sagte Partei- und Fraktionschef Michael Müller. Er habe den Antrag selbst unterbreitet und auch dafür gestimmt.

Die Zustimmung der SPD bedeutet eine Blamage für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, der ebenso als Gegner der Ehrenbürgerwürde für Biermann gilt wie Müller. Dieser hatte sich offen gegen die Ehrung ausgesprochen.

Noch vergangene Woche hatte der Fraktionsvorstand mit zehn gegen zwei Stimmen die Ehrung Biermanns abgelehnt. In den vergangenen Tagen war der Druck aus der Partei allerdings immer größer geworden. Kurz vor der entscheidenden Fraktionssitzung zeichnete sich dann eine Mehrheit der Abgeordneten für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den streitbaren Künstler ab. Mit dem überraschenden Kurswechsel kam Müller einer Niederlage in der eigenen Fraktion zuvor.

,,Unterirdisches Verhalten''

Müller sagte, das Verhalten der CDU in der Ehrenbürgerfrage sei unwürdig und ,,unterirdisch'' gewesen. Das Prozedere in solchen Fällen müsse dringend geändert werden.

CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger sagte nach der Entscheidung der SPD, man habe den Sozialdemokraten ausreichend Zeit gegeben, sich zu der Ehrenbürgerschaft zu bekennen. ,,Als dann nichts kam, sind wir an die Öffentlichkeit gegangen.'' Er signalisierte, dass sich die Union trotz ihres eigenen Antrags auch vorstellen könne, für den SPD-Antrag zu stimmen.

Müller hatte seine ursprünglich ablehnende Haltung damit begründet, dass Biermanns Verdienste um Berlin zwar groß, aber nicht herausragend seien. Deshalb erfülle er die Voraussetzungen nicht. Außerdem ärgerte man sich bei der SPD über das Verfahren. Statt, wie üblich, vorab einen parteipolitischen Konsens zu suchen, habe die CDU einen Antrag auf die Ehrung Biermanns gestellt und das Thema parteipolitisch missbraucht, nur um einen Keil in die rot-rote Regierungskoalition zu treiben.

"Unwürdiges Schmierenstück"

Dies hielt allerdings so prominente Berliner SPD-Politiker wie Wolfgang Thierse, den früheren SPD-Landeschef Dietmar Staffelt oder den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz nicht davon ab, sich ausdrücklich für Biermann einzusetzen.

In einem Rundbrief der konservativen SPD-Gruppe Aufbruch Berlin hieß es, zwar habe die CDU mit ihrem Antrag ,,ein unwürdiges Schmierenstück'' angezettelt. Das unwürdige Verfahren rechtfertige aber nicht eine Ablehnung. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat sich öffentlich noch nicht zu dem Thema geäußert. Er wollte sich auch nach der Entscheidung der Fraktion nicht dazu äußern.

Die Linksfraktion hatte die Verleihung der Ehrenbürgerwürde vor allem mit Biermanns positiver Haltung zum Nato-Einsatz im Kosovo und zum Irak-Krieg begründet.

© SZ vom 17.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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