SPD-Chef stoppt großen Lauschangriff:Müntefering: Entwurf von Zypries nicht mehr verfolgen

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Noch am Donnerstag hatte Innenminister Schilly den Plan, auch Priester, Ärzte, Anwälte und Journalisten abzuhören, verteidigt. Nur einen Tag später stoppt SPD-Chef Müntefering das Vorhaben. Der große Lauschangriff von Justizministerin Zypries hat offenbar keine Chance mehr.

Von Philip Grassmann

Müntefering sagte, er habe der Fraktion empfohlen, den Entwurf nicht weiter zu verfolgen. Dagegen hatte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Pläne noch am Vortag am Rande der Innenministerkonferenz verteidigt. Zypries hatte vorgeschlagen, dass unter bestimmten Bedingungen auch das Abhören von Ärzten, Anwälten, Priestern oder Journalisten möglich sein soll.

Die geplante Regelung hätte in diesem Punkte eine Verschärfung des bisherigen Gesetzes bedeutet, das im März vom Bundesverfassungsgericht in großen Teilen für verfassungswidrig erklärt worden war. Die Richter hatten eine Neuregelung verlangt, in der die Grenzen für das Abhören deutlich enger als bisher gefasst werden sollten.

Schwere Kritik von rot-grünen Rechtsexperten

In den vergangenen Tagen hatten vor allem Rechtspolitikern der rot-grünen Koalition das Gesetzvorhaben schwer kritisiert. Die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring Eckardt sagte, der Entwurf sei nicht abgesprochen gewesen. "Wenn wir anfangen wollen, Journalisten, Pfarrer und Ärzte zu belauschen, dann sind wir in unserem Rechtsstaat aus meiner Sicht nicht mehr auf der richtigen Seite."

Nach den Vorstellungen von Müntefering sind nun die Koalitionsfraktionen am Zug. Zunächst solle dort Einvernehmen über die notwendige Neuregelung des Lauschangriffs erzielt werden, sagte er.

"Es gibt Berufe, die sind ohne Vertraulichkeit nicht denkbar"

Auch die Opposition kritisierte Zypries' Pläne. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte, der Entwurf lege die Axt an die Fundamente des Rechtsstaates. Die CDU übte ebenfalls scharfe Kritik. "Es gibt Berufe, die sind ohne Vertraulichkeit nicht denkbar", sagte der CDU-Rechtspolitiker Norbert Röttgen dem Tagesspiegel.

Der frühere Innenminister Gerhard Baum, der mit anderen FDP-Politikern gegen die bisherige Regelung in Karlsruhe vorgegangen war, hatte zuvor bereits im Deutschlandfunk eine erneute Verfassungsklage für den Fall angekündigt, dass Zypries' Pläne umgesetzt werden.

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