Sozialversicherung:SPD-Vize Nahles will mit Steuertrick entlasten

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Vorstoß von SPD-Vize Andrea Nahles: Der höhere Beitrag zur Krankenversicherung soll mit Steuern finanziert werden. Das Klima in der Koalition ist gereizt.

Nico Fried

In der Diskussion über ein zweites Konjunkturpaket dringt die SPD darauf, die Arbeitnehmer über niedrigere Sozialbeiträge zu entlasten. Nach Gesundheitsministerin Ulla Schmidt unterstützt jetzt auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles die Überlegung, in der gesetzlichen Krankenversicherung den von Arbeitnehmern und Rentnern zu zahlenden Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozentpunkten künftig aus Steuermitteln zu finanzieren. "Ich bin dafür", sagte Nahles der Süddeutschen Zeitung. "Dieser Vorschlag ist sinnvoll und gerecht."

Andrea Nahles, stellvertretende SPD-Vorsitzend will in der gesetzlichen Krankenversicherung den von Arbeitnehmern und Rentnern zu zahlenden Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozentpunkten künftig aus Steuermitteln finanzieren. (Foto: Foto: AP)

Mit der Einführung des Gesundheitsfonds beträgt der paritätische Beitragssatz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 1. Januar 14,6 Prozent. Arbeitnehmer und Rentner müssen allerdings zusätzlich noch 0,9 Prozentpunkte zahlen, mit denen sie seit Juli 2005 alleine für Krankengeld und Zahnersatz vorsorgen, wodurch ihr Beitragssatz 2009 bei 15,5 Prozent liegt.

Gegenseitige Beschimpfungen

Sollte der Sonderbeitrag gestrichen werden, müsste Finanzminister Peer Steinbrück etwa neun Milliarden Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt in die Krankenversicherung stecken. Bislang ist im Rahmen der letzten Gesundheitsreform geplant, dass der Steueranteil jährlich um 1,5 Milliarden Euro ansteigt.

In der Union war Schmidts Vorschlag auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während sich der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) offen zeigte, lehnte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) eine einseitige Absenkung des Beitrages nur der Arbeitnehmer ab. Wenn die Beiträge mit Hilfe von Steuermitteln gesenkt würden, müssten davon auch die Arbeitgeber profitieren, da es um den Erhalt von Arbeitsplätzen gehe, argumentierte Kauder.

In SPD-Kreisen sieht man allerdings gute Chancen, den Sonderbeitrag loszuwerden. Grund dafür ist die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Neujahrsbotschaft signalisierte Bereitschaft, der Forderung vor allem aus der CSU nach Steuersenkungen zugunsten der Konjunktur nachzukommen.

Merkel hatte gesagt, ihre Regierung werde in einem zweiten Konjunkturpaket "alle, die Steuern und Abgaben zahlen, entlasten", soweit dies mit der Verantwortung für die Lasten nachfolgender Generationen vereinbar sei. In der SPD wurde nun zu verstehen gegeben, dass für eine Zustimmung der SPD zu den Steuersenkungen ein Entgegenkommen der Kanzlerin und der Union auch bei der Senkung der Sozialabgaben erwartet werde.

Kritik an Merkel

Vor der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses am kommenden Montag kam es über den Jahreswechsel zu den in der schwarz-roten Koalition vor Koalitionsrunden längst üblichen gegenseitigen Beschimpfungen. SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel kritisierte die Kanzlerin für ihren Umgang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise: "Die Arbeit von Frau Merkel war in den zurückliegenden Wochen nicht überzeugend. Viel Taktik, keine Linie", sagte Wasserhövel, der als enger Vertrauter von SPD-Chef Franz Müntefering gilt, der Frankfurter Rundschau.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil verglich CSU-Chef Horst Seehofer mit dem früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine. "Beide neigen zur Verantwortungsflucht", sagte Heil dem SWR. Er sehe eine ganze Menge Parallelen zwischen Seehofer und dem jetzigen Parteichef der Linken.

Merkel soll hart bleiben

Seehofer hatte mehrmals damit gedroht, einem zweiten Konjunkturpaket nicht zuzustimmen, wenn der Forderung der CSU nach Steuersenkungen nicht nachgekommen werde. Dafür wurde er nun auch von CDU-Ministerpräsidenten indirekt kritisiert: Saarlands Regierungschef Peter Müller appellierte an die CSU, dem Paket auch ohne vorgezogene Steuersenkungen zuzustimmen. "Ich halte Koppelungsgeschäfte hier nicht für zielführend", sagte Müller dem Hamburger Abendblatt.

Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust forderte Merkel auf, im Streit mit der CSU hart zu bleiben. "Jetzt Steuern zu senken würde wegen der großen, in ihrem Ausmaß teilweise noch gar nicht abzuschätzenden Aufgaben, die vor dem Bund und den Ländern liegen, unvermeidlich in eine neue Schuldenfalle führen", warnte er.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) warf dem Koalitionspartner SPD dagegen mangelnde Haushaltsdisziplin bei der Abwehr der Wirtschaftskrise vor. "Dass wir trotz Krise das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht aus den Augen verlieren, ist ein großes Anliegen der Union. Für die SPD ist das Wort Konsolidierung ein Fremdwort", sagte Glos der Leipziger Volkszeitung. Der Wirtschaftsminister bestritt, dass dieser Vorwurf im Gegensatz zu seinen eigenen Forderungen nach deutlichen Steuerentlastungen stehe.

© SZ vom 02.01.2009/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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