Sozialdemokraten:Kühnert: SPD muss aus der Schmach herauskommen

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Der Juso-Chef verlangt, die Partei müsse sich stärker von der Union abgrenzen. Scholz und Nahles werben für die große Koalition.

Von Detlef Esslinger, Köln

In der SPD versuchen Anhänger und Gegner einer neuen großen Koalition, die Mitglieder vor deren Votum für sich zu gewinnen. Die Parteispitze begann am Wochenende, auf Regionalkonferenzen für den Vertrag mit der Union zu werben; der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert setzte seine Tour fort, bei der er die Mitglieder von den Nachteilen des Bündnisses überzeugen will. Vor einem Auftritt in Köln sagte Kühnert der Süddeutschen Zeitung, die SPD habe die Frage zu klären, wie sie aus der Schmach wieder herauskomme.

Er meinte damit die 20,5 Prozent, die sie bei der Wahl im September erzielte. In Umfragen liegt die Partei derzeit noch darunter. Er glaube nicht, dass die SPD im Falle einer Neuwahl automatisch noch schlechter abschneiden und die AfD noch stärker werde. Man müsse den Wählern selbstbewusst sagen, warum die Parteien sich derzeit so schwertäten: "Weil wir den Eindruck haben, dass ihr Unterschiede zwischen Union und SPD vermisst, und es in dieser Koalition kaum noch möglich ist, Unterschiede ausreichend darzustellen". Das gefährde die Demokratie im Land. "Wir müssen uns sichtbar von der Union abgrenzen", sagte Kühnert. "In einer Dauer-Groko scheint mir das utopisch zu sein."

Auf die Frage, ob die SPD in einen Wahlkampf mit dem Anspruch ziehen müsste, stärkste Partei zu werden, antwortete er: "Ja." Die Mitglieder der Parteispitze, die den Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, gaben sich nach den ersten Regionalkonferenzen am Wochenende in Hamburg, Hannover und Kamen optimistisch. Nach drei Stunden Debatte in Hamburg mit 650 Teilnehmern sagte der kommissarische Parteichef Olaf Scholz, nach seinem Eindruck fänden "die allermeisten", es liege ein sehr guter Koalitionsvertrag auf dem Tisch. In Hannover sagte Niedersachsens SPD-Landeschef und Ministerpräsident Stephan Weil: "Am Ende wird es ein Ja geben." Fraktionschefin Andrea Nahles, die nach dem Willen des Parteivorstandes im April neue Vorsitzende werden soll, lobte eine "lebendige, ehrliche und konstruktive" Diskussion. Kritik aus der Partei, dass sie nicht mit Groko-Gegnern wie Kühnert auftrete, wies Nahles zurück: "Die Groko-Gegner kommen nicht zu kurz." Reporter sind bei den Regionalkonferenzen jedoch nicht zugelassen.

Das Ergebnis des Mitgliederentscheids wird am 4. März verkündet. Unterdessen hat sich der zurückgetretene SPD-Chef Martin Schulz mit Außenminister Sigmar Gabriel versöhnt. "Es stimmt, dass ich die Entschuldigung von Gabriel angenommen habe", sagte Schulz der Bild-Zeitung. Nach Abschluss der Verhandlungen mit der Union hatte er angekündigt, Außenminister werden zu wollen. Darauf sagte Gabriel, seine Tochter habe ihn so getröstet: "Papa, jetzt hast du mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht." Laut dem Magazin Spiegel soll Schulz die persönliche Entschuldigung Gabriels so quittiert haben: "Du bist eben genauso ein Emotionsbrötchen wie ich. Ich habe gesagt, dass ich ohne Groll und Bitterkeit gehe. Das gilt auch für dich."

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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