Sicherheitsbehörden:Berliner Versäumnisse

Lesezeit: 1 min

Im Fall des Attentäters Anis Amri, der im Dezember zwölf Menschen ermordete, räumt der Generalstaatsanwalt Fehler ein. So sei Amris Observation vorzeitig abgebrochen worden.

Von Jan Bielicki, Düsseldorf

Bei der Observation des späteren Lkw-Attentäters Anis Amri hat es bei den Berliner Sicherheitsbehörden offenbar große Abstimmungsprobleme gegeben. Das hat der Berliner Generalstaatsanwalt Ralf Rother vor dem Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags eingeräumt, der den Fall Amri durchleuchtet.

So habe die Berliner Polizei laut Rothers Aussage die angeordnete Observation des als Gefährder bekannten Islamisten Amri bereits im Juni oder Juli 2016 abgebrochen, ohne die Generalstaatsanwaltschaft darüber zu informieren. Er sei "überrascht gewesen, dass die Polizei die Observation nicht weiter durchgeführt hat", sagte Rother am Mittwoch. Seine Behörde hatte sogar noch Mitte August eine Verlängerung der Observation beantragt und richterlich genehmigt bekommen, ohne zu wissen, dass die Polizei die Beobachtung Amris bereits Wochen zuvor eingestellt hatte. "Wir gehen davon aus, dass die Polizei solche Beschlüsse umsetzt", sagte Rother. Als möglichen Grund dafür, dass die Polizei Amri nicht weiter beobachtete, nannte er "Ressourcenprobleme".

"Mit dem heutigen Wissen wäre es richtig gewesen, ein Sammelverfahren zu eröffnen"

Amri hat am 19. Dezember 2016 vor der Berliner Gedächtniskirche mit einem Lastwagen zwölf Menschen totgefahren. Er war bereits im Februar 2016 vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen als höchst gefährlich eingestuft und beobachtet worden. Als im März 2016 klar wurde, dass er seinen Aufenthalt aus Nordrhein-Westfalen in die Hauptstadt verlegt hatte, übernahmen die Berliner Behörden. Die dortige Generalstaatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der versuchten Beteiligung an einem Tötungsdelikt. Allerdings sei bei der Überwachung "nichts bei rausgekommen", so Rother.

Es ergaben sich jedoch Hinweise darauf, dass Amri in Straftaten im Drogenmilieu - etwa in eine Messerstecherei in einer Schischa-Bar - verwickelt war. Obwohl so vorgesehen, wurden diese Delikte jedoch nicht bei der Generalstaatsanwaltschaft zusammengeführt, auch wegen der Alias-Namen, unter denen Amri unterwegs war. "Mit dem heutigen Wissen", sagte Rother, "wäre es richtig gewesen, ein Sammelverfahren zu eröffnen".Ob die Bündelung der Delikte zu einer Inhaftierung geführt hätte, könne er aber nicht sagen. Laut Rother wollen die Generalstaatsanwälte der Bundesländer sich im nächsten Monat darauf einigen, alle Gefährder daraufhin zu überprüfen, wo welche Verfahren gegen sie laufen.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: