Sicherheit in Europa:Zeitgemäß abrüsten

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Außenminister Frank-Walter Steinmeier will über einen neuen Kontrollvertrag verhandeln. Die sich verändernde Weltordnung mache das erforderlich. Eine Garantie auf Erfolg gebe es zwar nicht. Versuchen müsse man es trotzdem.

Von Stefan Braun, Berlin

Angesichts einer dramatisch verschlechterten Sicherheitslage in Europa will Außenminister Frank-Walter Steinmeier einen Neustart für Rüstungskontrollverhandlungen initiieren. Wie es am Freitag aus dem Auswärtigen Amt hieß, seien die bisherigen Kontrollmechanismen aus dem 1992 geschlossenen und 1999 angepassten Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) veraltet oder seit Jahren außer Kraft gesetzt worden. Außerdem seien sie auf Basis der Waffensysteme und militärischen Fähigkeiten der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts geschlossen worden und könnten deshalb keine adäquate Antwort auf die heutigen Herausforderungen mehr sein. Aus diesem Grund sei es nötig, einen neuen Anlauf zu starten, betonten hohe Beamte des Außenministeriums.

Steinmeier selbst betonte, mit Blick auf eine erodierende Weltordnung sei ein neuer Anlauf dringend erforderlich. Es gäbe zwar keinerlei Erfolgsgarantie. Gleichzeitig aber sei es "wenig verantwortungsvoll", nicht trotzdem die Anstrengung zu unternehmen. "Keiner gewinnt, alle verlieren, wenn wir uns in einem neuen Rüstungswettlauf gegenseitig erschöpften", betonte der Minister in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Das Ziel besteht offenkundig nicht darin, den 2007 von Russland suspendierten alten KSE-Vertrag zu reformieren. Steinmeier hat sich entschieden, die Verhandlungen neu zu beginnen. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, jene "Altlasten" etwas in den Hintergrund zu schieben, die in den letzten zehn Jahren ernsthafte Gespräche mit Russland verhindert haben. Wie es im Auswärtigen Amt hieß, hätten sich die Fronten zwischen Nato und Russland vor allem über die Frage verhärtet, ob sich Russland vor neuen Verhandlungen über eine Reform des KSE-Abkommens aus allen sogenannten eingefrorenen Konflikten um Transnistrien, Berg-Karabach, Abchasien und Südossetien zurückziehen muss. Nach dem neuen Plan sollen diese Konflikte nicht ignoriert und nicht ausgespart werden, aber sie sollen die Gespräche nicht von vornherein blockieren.

An einen Neustart denkt Steinmeier offenbar auch deshalb, weil sich die Waffen und die Fähigkeiten zur Kriegsführung dramatisch verändert haben. "Es geht nicht mehr um die Frage: Wer hat wie viel? Es geht um die Frage: Wer kann was?", hieß es im Auswärtigen Amt. Gemeint ist damit vor allem die Tatsache, dass Cybertechnik, Drohnen und Flugtechnik die Möglichkeiten fast revolutioniert haben. Auch geht es längst eher um die schnelle Verlegung schlagkräftiger kleiner Einheiten, während sich früher große Panzerarmeen gegenüberstanden.

Im Auswärtigen Amt stellt man sich auf einen schwierigen Start ein; und Steinmeier rechnet damit, dass manche Verbündete ihm unterstellen könnten, er suche nur nach einem Weg, um Russland aus der Isolation zu holen. Dem hielt der Minister entgegen, man werde zentrale Prinzipien, die Russland gebrochen habe, niemals aufgeben.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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