Sicherheit am Bau:Ruf nach dem Gebäude-TÜV

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Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren gerade bei den Baubehörden viel Personal abgebaut. Diese Sparsamkeit des Staates aber kann tödlich sein. Erste Politiker fordern wieder mehr staatliche Kontrolle im Bausektor. Mal sehen, wie lange der Schock von Bad Reichenhall anhält.

Christian Schneider

Mindestens vierzehn Menschen sind gestorben, als das Dach der Eissporthalle in Bad Reichenhall einstürzte. Politiker müssen Stellung beziehen in solchen Fällen. Sie sprechen den Angehörigen ihr Mitgefühl aus und richten Hilfsfonds ein. Das ist richtig so, aber vielleicht ist es nicht genug. Denn abgesehen von individuellen Fehlern stellt sich auch die Frage, ob die Gesetze solchen Unglücken nicht geradezu Vorschub leisten. Und da sind Ministerpräsidenten und Landtagsabgeordnete gefordert. Denn Baurecht ist Ländersache.

Die Fahnen des Landkreises Berchtesgaden (l.) und der Stadt Bad Reichenhall (r.) sind mit Trauerflor geschmückt (Foto: Foto: dpa)

Im Augenblick sieht es so aus: Wer ein Haus bauen will, muss seine Baupläne bei der zuständigen Behörde zur fachlichen Überprüfung einreichen. Erst wenn die amtliche Genehmigung vorliegt, darf mit dem Bau begonnen werden. Dann aber endet die Kontrolle der Behörden. Ob die Baupläne tatsächlich eingehalten werden, interessiert den Staat nicht mehr. Und erst recht nicht, ob das Gebäude auch nach Jahren noch so sicher ist wie am ersten Tag.

Bauherr muss für Sicherheit der Gäste garantieren

Beim privaten Eigenheim mag das ausreichen. Wer riskiert es schon, dass ihm in der eigenen Wohnung die Decke auf den Kopf fällt? Bei öffentlichen Gebäuden hingegen, die jedem Bürger zugänglich sind, funktioniert dieser Selbsterhaltungstrieb des Bauherrn nicht mehr.

Da muss sich jeder Passant darauf verlassen können, dass Sporthallen oder Theatersäle regelmäßig auf ihre Sicherheit hin überprüft werden. Das, so beteuern auch jetzt wieder die Behörden, verlange schon die so genannte Verkehrssicherheitspflicht, wonach jeder Bauherr jederzeit garantieren muss, dass den Gästen seines Hauses nichts passiert.

Nicht immer hat der Staat die Eigenverantwortung so stark betont. Das hat sich erst geändert, als Politiker entdeckten, dass sich durch Deregulierung und Privatisierung Geld sparen lässt. So haben die Kommunen in den vergangenen Jahren gerade bei den Baubehörden viel Personal abgebaut. Vom schlanken Staat war die Rede. Diese Sparsamkeit des Staates aber kann tödlich sein.

Nur Brücken und Tunnels werden regelmäßig überprüft

Denn der Deckeneinsturz in Bad Reichenhall hat erneut den Verdacht erregt, dass einzelne Bauherren die Eigenverantwortung und Verkehrssicherheitspflicht offensichtlich nicht ernst genug nehmen. Deswegen wird der Ruf nach mehr Kontrolle am Bau laut - konkret nach der Einführung einer Art Bau-TÜV.

Brücken und Tunnels müssen schon jetzt regelmäßig alle drei bis fünf Jahre auf ihre Bausicherheit hin überprüft werden. Auch im Straßenverkehr wird jedes Fahrzeug regelmäßig von Fachleuten unter die Lupe genommen. Würde sich der Staat auch in diesem Bereich zurückziehen und auf die Selbstverantwortung des Einzelnen vertrauen, könnte er das Kontrollieren gleich ganz aufgeben und zum Beispiel auch auf die Überwachung von Geschwindigkeitsbegrenzungen mit Radarfallen verzichten.

Für Konsequenzen aus dem Bad Reichenhaller Unglück sei es noch zu früh, wird in den Innenministerien in Bayern und Baden-Württemberg schon abgewinkt. Der Präsident des Deutschen Städtetages allerdings, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), kann sich durchaus wieder mehr staatliche Kontrolle im Bausektor vorstellen. Mal sehen, wie lange der Schock von Bad Reichenhall anhält.

© SZ vom 5.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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