Sexualkunde:Aufgeklärte Richter

Der Gerichtshof für Menschenrechte befindet zu Recht: Kinder sollten schon früh lernen, über Sexualität zu sprechen.

Von Charlotte Theile

Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind in der Schweiz gefürchtet. In den vergangenen Jahren erhielt das Land immer wieder Rüffel aus Straßburg, oft aufgrund seiner harten Abschiebepraxis. Jetzt veröffentlichten die Richter jedoch ein Urteil, das die Schweizer Justiz bestätigt: Eltern bleibt es untersagt, ihre Kinder vom Sexualkunde-Unterricht abzumelden. Geklagt hatte die Mutter eines siebenjährigen Mädchens, die ihre Tochter zu jung für Sexualkunde fand. Die Richter sahen das anders: Auch vor der Pubertät gebe es Fragen zur Sexualität - und Pädagogen dürfen auf diese eingehen.

Damit setzt der Gerichtshof einen Schlusspunkt unter einen Streit, der die Schweiz seit 2011 beschäftigt. Sie weisen dabei ausdrücklich auf ein Ziel der Sexualerziehung hin: Kinder sollen vor Missbrauch und Übergriffen geschützt werden. Und das geht nur, indem die Mädchen und Jungen lernen, über ihren Körper und über Sexualität zu sprechen; indem sie auszudrücken lernen, was sie spüren; und indem sie ein Gefühl dafür entwickeln, wie sich Intimität zwischen Menschen gestaltet - und wie eher nicht. Es ist kein Zufall, dass Missbrauchsopfer immer wieder berichten, sie hätten nicht gewusst, dass das, was ihnen passierte, nicht erlaubt und nicht normal war.

Wer erst ab der Pubertät aufklären will, verkennt: Es geht nicht nur um technisches Wissen und Biologie. Wer über Sexualität zu sprechen lernt, ist besser fürs Leben gerüstet.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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