Schwarz-grün:Von den Hessen lernen

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Im Land von Alfred Dregger und Straßenkampf kommt die schwarz-grüne Koalition überraschend gut miteinander aus. In Stilfragen ist die Zusammenarbeit vorbildlich.

Von Susanne Höll

Man sagt, dass Eigenlob stinkt. Das stimmt, meistens jedenfalls. Selbstbeweihräucherung ist für Dritte eine Zumutung, sei es im privaten Leben oder in der Politik. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen stellt sich zu ihrer Halbzeitbilanz wieder einmal ein gutes Zeugnis aus. Riecht es nun in Wiesbaden übel? An manchen Ecken müffelt es. Aber insgesamt können die CDU und die Öko-Partei mit ihrer Arbeit zufrieden sein.

Das haben sie hauptsächlich der Art und Weise zu verdanken, wie die Bündnispartner miteinander und außerdem mit überraschenden Herausforderungen umgehen. In Stildingen könnte die hessische Regierung anderen Ländern und auch dem Bund in mancherlei Weise als Vorbild dienen. Wenn es schwierig wird, gerät man sich nicht in die Haare, veranstaltet kein lautes Tamtam, sondern sorgt dafür, dass die Dinge gerichtet werden, möglichst schnell und effizient. Die hohe Zahl an Flüchtlingen hat das Bündnis ruhig gemanagt; im Zwist um die Anerkennung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten verzichteten der christdemokratische Ministerpräsident Volker Bouffier und sein Vize Tarek Al-Wazir dankenswerterweise darauf, sich wechselseitig Vorwürfe zu machen. Die Landesregierung bietet wenig Angriffsflächen. Langweilig sei die Politik, lautet eine Kritik. Korrekt. Aber dafür kann man in diesen international bewegten Zeiten manchmal dankbar sein.

In Stildingen taugen Bouffier und Al-Wazir sogar zum Vorbild

Schön wäre allerdings ein wenig mehr Verve in der Bildungs- und Familienpolitik. Ein vergleichsweise wohlhabendes Land wie Hessen müsste sich gebührenfreie Kitas eigentlich leisten können. Die Abermillionen Euro, die in den Unsinns-Flughafen Calden versenkt wurden, wären in Schulen, Kindergärten und Wohnungsbauprojekten besser angelegt gewesen. Gerade die Union könnte sich mit einem frischen Familienbild profilieren.

Dass er modernisieren kann, hat Bouffier längst bewiesen. Die Hessen-Union hat unter Bouffier alte Positionen geräumt. Die Partei, einst als Hort der Nationalkonservativen verschrien, hat heute keine nennenswerten Rechtsausleger mehr aufzubieten. Bouffier wurde mit Schwarz-Grün zum Avantgardisten, die Ökos polieren, wenn man so will, seither das Image der Schwarzen in der aufgeschlossenen Mehrheit der Gesellschaft auf.

Das lässt wiederum der AfD Raum, die mit Sicherheit bei der Landtagswahl 2018 antreten und den Christdemokraten Stimmen rauben dürfte. Wird Bouffier dann womöglich ein Opfer seiner eigenen liberalen Gesellschaftspolitik? Nein. Die Volkspartei CDU kann und wird einen Wettlauf mit sektiererischen Protestlern und groben Tönen niemals gewinnen. Mag sein, dass etliche Wähler zu den Rechtspopulisten überlaufen. Aber in der weitaus größeren politischen Mitte hat diese neue Hessen-CDU in den vergangenen zweieinhalb Jahren an Respekt gewonnen. Deshalb kann Bouffier die Wahl 2018 durchaus noch einmal für sich entscheiden. Diesen Erfolg hätte er dann allerdings nicht zuletzt dem grünen Juniorpartner zu verdanken.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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