Schwarz-Grün in Hamburg-Altona:Verlässliche Chaoten, kompromissbereite Gestrige

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In Hamburg tasten sich CDU und Grüne zögerlich an ihr erstes Bündnis heran. Im Stadtteil Altona sind die Trennwälle längst aufgebrochen, dort sind schwarz und grün ein Herz und eine Seele.

Ivo Marusczyk

Können Ausbeuter und Phantasten zusammenarbeiten? Geistige Brandstifter und Terroristen? Öko-Stalinisten und die fleischgewordene Vergangenheit?

Der erste Handschlag am Wahlabend war noch nicht besonders herzlich: Doch die Altonaer Politiker glauben, dass Christa Goetsch und Ole von Beust ihrem Vorbild nacheifern werden. (Foto: Foto: dpa)

Mit solchen und ähnlichen Formulierungen haben sich CDU und Grüne noch vor wenigen Jahren abgewatscht. Trotzdem scheinen die Weichen zum ersten Mal in einem Landesparlament auf schwarz-grün zu stehen. In Hamburg werden CDU und Grün-Alternative Liste schon bald in Sondierungsgespräche treten.

Vorbild sind die Stadtteile Altona und Harburg, wo Schwarze und Grüne seit Jahren in Koalitionen zusammenarbeiten. Immer wieder wird betont, wie hervorragend und reibungslos die unterschiedliche gestrickten Parteien dort gemeinsam regieren. Doch taugt dieses Modell auch für den ganzen Stadtstaat?

Uwe Szczesny, der CDU-Fraktionschef in der Bezirksversammlung von Altona rät seinem Bürgermeister Ole von Beust uneingeschränkt, es mit den Grünen zu versuchen. Seine Erfahrungen aus dem kommunalen Parlament sind rundum positiv. Aller Anfang war schwer - so wollte seine GAL-Kollegin Gesche Boelich zu Beginn auf keinen Fall mit ihm abgelichtet werden. Doch inzwischen ist das Vertrauen so groß, dass beide zusammen zu Tagungen der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung fahren - und freilich auch zu Veranstaltungen der grünen Heinrich-Böll-Stiftung.

Lösung für alle Fragen

Für die Kooperation mit der Partei, die vielen Konservativen immer noch als verträumte Öko-Chaotentruppe gilt, findet Szczesny nur lobende Worte: "Die Zusammenarbeit war sehr gut." Wir haben für alle Fragen eine Lösung gefunden. Manchmal musste man sich ein paar Stunden zusammensetzen, aber am Schluss gab es immer einen Kompromiss. Und bei der Umsetzung haben sich die Grünen als sehr verlässlich erwiesen," sagte Szczesny sueddeutsche.de.

Wenige Minuten später wählt Winfried Sdun, der stellvertretende Fraktionschef der GAL in Altona dieselben Komplimente, um die Vorzüge des Koalitionspartners zu beschreiben. Verlässlichkeit scheint das Zauberwort für das schwarz-grüne Bündnis in Altona. "Wir haben eine absolut zuverlässige Zusammenarbeit erlebt," sagt Sdun im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Auffällig ist auch, wie zufrieden CDU und GAL in Altona über ihren Partner sprechen, wenn sie sie mit den näher liegenden Koalitionspartnern vergleichen. "Wir haben Verlässlichkeit in Bündnissen mit der SPD schon anders gelebt," erinnert sich Sdun. Und Szczesny scheint die GAL heute lieber zu sein, als die früheren Partner FDP und Schill-Partei.

Im Rathaus von Altona geht es in erster Linie um kommunalpolitische Detailfragen: Grünflächen- und Bebauungspläne, Verkehrsprobleme und Stadtteilfragen. Probleme wie die Elbvertiefung ("Fahrrinnenanpassung" sagt die CDU dazu) und das Kohlekraftwerk Moorburg sind von einem anderen Kaliber. Trotzdem glauben die Altonaer Stadtteilpolitiker, dass sich ihre Erfahrungen auch auf ganz Hamburg übertragen lassen. Schließlich sind auch in Altona ideologisch befrachtete Themen auf die Tagesordnung gekommen, auch hier mussten beide Seiten die eine oder andere Kröte schlucken. So mussten die Grünen etwa Tempo 60 auf einer Hauptstraße zustimmen. Andere Punkte wie den Bau einer Bundesstraße durch ein Naturschutzgebiet habe man gleich von vornherein ausgeklammert.

Misstrauen hatte die Anfangsjahre geprägt. Aber gerade dieses Misstrauen war wohl die Basis für eine erstaunlich reibungslose Kooperation. "Man weiß von vornherein, dass es strittige Punkte gibt. Deswegen verhandelt man bis ins kleinste Detail," sagt Sdun.

Mehr als tausend Beschlüsse hat die Bezirksversammlung Altona seitdem gefasst. Nur ein einziges Mal stimmten Schwarze und Grüne nicht gemeinsam ab: Beim neuen Wahlrecht, wo die Parteien auf Landesebene grundsätzlich über Kreuz lagen.

Sdun ist sicher, dass seine GAL auch auf Landesebene mit der CDU Kompromisslinien finden kann: "Die Hamburger CDU ist von Kaufleuten geprägt. Das ist ein Geben und Nehmen. Am Schluss wägt man ab zwischen Erfolg und Zurückstecken und kommt zu einem Kompromiss." Deshalb hat er seiner Spitzenkandidatin Christa Goetsch auch geraten, mutig in die Verhandlungen mit Ole von Beust einzusteigen: "Das ist ein spannendes Experiment."

CDU-Mann Szecsny ist genauso sicher, dass der liberale Konservative Ole von Beust mit den Grünen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufbauen kann. Und gibt ihm noch einen konkreten Rat mit in die Verhandlungen: "Ich glaube, die Grünen haben es als wohltuend empfunden, dass wir sie als gleichberechtigte Partner behandelt haben, nicht als kleinen Anhang, wie die SPD das oft macht."

CDU und Grüne, ist das die Geschichte einer Liebe auf den zweiten Blick? Szecsny winkt ab: "Schreiben Sie lieber, ein hanseatisches Zweckbündnis." Aber in Hamburg ist das ja schon fast eine Liebeserklärung.

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