Schülerticket:Bahn statt Helikopter

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Ein neues Ticket soll Schüler in Hessen zu mehr Selbständigkeit animieren. Der Verkehrsminister erhofft sich dabei auch erzieherische Nebeneffekte: bei den Eltern.

Von Susanne Höll

Das berufliche Leben grüner Verkehrsminister ist nicht sonderlich kommod. Sie müssen Feinstaub und Fluglärm bekämpfen, ihnen äußerst unliebe neue Autobahnen eröffnen und sich bei Parteifreunden deshalb immer wieder rechtfertigen. Aber ab und zu erfreut ein Verkehrsprojekt auch das grüne Herz. So wie das landesweite Schülerticket, mit dem Kinder und Jugendliche vom Frühherbst an fast alle Bahnen, Busse und Nahverkehrszüge in ganz Hessen nutzen können.

Hessen ist der erste deutsche Flächenstaat, der eine solche Karte anbietet. Die Idee stammt von Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. Für 365 Euro im Jahr soll man damit durch die gesamte Heimat gondeln können. Der Preis ist für viele junge Leute ein Schnäppchen. In vielen Regionen sind die Schüler- und Azubi-Jahreskarten im Schnitt teurer, manchmal um mehr als 100 Euro. Dort, wo die Tickets preiswerter sind, in Rüsselsheim oder Gießen, kann der höhere Preis durch Fahrten jenseits der Stadt- oder Kreisgrenzen wettgemacht werden.

Maximal 20 Millionen Euro lässt sich der Verkehrsminister das Projekt kosten, über das zwei von drei hessischen Verkehrsverbünden im März endgültig entscheiden wollen. Einer hat bereits zugestimmt.

Gut angelegtes Geld, findet Al-Wazir, der, wie könnte es bei einem Grünen anders sein, auf ökologisch wertvolle erzieherische Nebeneffekte hofft, bei den Jugendlichen und - ganz wichtig - deren Eltern. "Mit dem Schülerticket wollen wir Kinder und Jugendliche selbständiger und damit auch so manche Autofahrt überflüssig machen", sagt der Minister. Er meint die in vielen Städten inzwischen gefürchteten Fahrten in den Familienkutschen bis vor die Schultür.

Vor den Pausenhöfen und Eingangstüren stehen die Autos in chaotischen Zweierreihen, Kinder springen mitten auf die Straße, kein Durchkommen mehr für andere Verkehrsteilnehmer. Schüler, die zu Fuß kommen, müssen sich durch die Wagenburgen schlängeln, ohne Sicht auf entgegenkommenden Verkehr. Kinderschutz- und Verkehrsverbände schlagen seit Längerem Alarm, der Nachwuchs müsse frühzeitig lernen, sich im öffentlichen Leben, Berufsverkehr inklusive, sicher zu bewegen. Genutzt haben solche Appelle bislang nicht allzu viel. Jeder kennt Mütter und Väter, die aus gelegentlich übergroßer Sorge die Kinder sogar am helllichten Tag zum Flötenunterricht oder zum Sporttraining fahren, obwohl die Bushaltestelle gleich um die Ecke liegt.

Ginge es nach Al-Wazir, dürften diese Helikopter-Eltern in der nächsten Generation aussterben. Wer in jungen Jahren gute Erfahrungen mit günstigen Nahverkehrstarifen gemacht habe, verzichte womöglich auch später auf ein eigenes Auto, hofft man im Ministerium. Das ist, jenseits größerer und kleinerer Städte ein schöner, wenngleich höchst unrealistischer Wunsch.

Denn wer in sehr ländlichen Gemeinden Hessens wohnt, sei es am Hohen Meißner oder im Vogelsbergkreis, kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln schon unter der Woche nur langsam und beschwerlich über die Dörfer, von Sonn- und Feiertagen ganz zu schweigen. Vielerorts wurden aus Geldmangel die Busfahrpläne ausgedünnt.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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