Schröder und die Kaukasus-Krise:Die Abrechnung des Altkanzlers

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Der Westen hat alles falsch, Moskau fast alles richtig gemacht: Wie Gerhard Schröder die Weltlage bei einem Benefizdinner der Arbeiterwohlfahrt erklärt.

Thorsten Denkler, Berlin

Gerhard Schröder hat 45 Minuten. Es werden nur 35. Mehr braucht der Altkanzler nicht, um den Kaukasuskonflikt zu lösen. Das tut er am Montagabend in der Hauptstadt im Hotel Maritim, Saal Berlin, 18 Kronleuchter schmücken die Decke.

Gerhard Schröder bei seiner Rede während eines Benefizabends der Arbeiterwohlfahrt. (Foto: Foto: AP)

Ein Benefizdinner der Arbeiterwohlfahrt. Wer bei Schröders Erklärung der politischen Großwetterlage dabeisein wollte, zahlt dafür 150 Euro pro Platz, 2500 Euro kostet ein Tisch für zehn Personen. 150 zahlende Gäste sind da. Der Erlös kommt dem Notfallfonds der AWO International zugute.

Das Geld wird gebraucht, wenn es irgendwo brennt auf der Welt. Im Kaukasus brennt es gerade gewaltig. Da passt es gut, wenn Schröder spricht, der Russland-Freund, für den Premierminister Wladimir Putin ein "lupenreiner Demokrat" ist.

Schröder hebt Steinmeier hervor

Es trifft sich auch gut, dass an diesem 1. September, dem Tag des Weltfriedens, die Europäische Union auf ihrem Sondergipfel in Brüssel beschließt, die kommende Verhandlungsrunde über ein Kooperationsabkommen mit Russland zu verschieben.

Schröder gibt das die Gelegenheit, mal ein paar Dinge gerade zu rücken. Mitnichten sei Russland der Aggressor im Südkaukasus. "Es kommt schon darauf an, fair festzustellen, wer das denn begonnen hat", sagt Schröder. Der, der das begonnen hat, sitzt in Tiflis, meint der Sozialdemokrat.

Noch im Juli habe Außenminister Frank Walter Steinmeier - auch ein Sozialdemokrat, worauf Schröder deutlich hinweist - einen Drei-Punkte-Friedensplan vorgeschlagen, der eine friedliche Lösung des Konfliktes im Südkaukasus hätte ermöglichen können. "Ich weiß", sagt Schröder, dass die russische Führung "ein ernsthaftes Interesse" an einer solchen Lösung gehabt habe.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Gerhard Schröder an den Amerikanern kritisiert und inwiefern er glaubt, recht behalten zu haben.

Nur einer offenbar nicht. Es habe vielleicht "überzogene Reaktionen" Moskaus gegeben, sagt Schröder. Doch "diese Friedenschance ist, und das muss man klar benennen, in erster Linie durch den georgischen Präsidenten Saakaschwili ausgeschlagen worden." Russland in der Opferrolle, das ist Schröders Lesart der Krise.

Wurde im Oktober 1998 deutscher Bundeskanzler: Gerhard Schröder (Foto: Foto: AP)

Und nicht nur Saakaschwili habe Russland in eine Situation gebracht, in der sich das Land eingekreist fühlen müsse. Es sei der gesamte Westen gewesen, der in der jüngsten Zeit mit einer Reihe von "schweren Fehlern" die Beziehungen zu Russland aus einer Phase der konstruktiven Zusammenarbeit in eine "Spirale der Konfrontation" geführt habe.

Schröder benennt etwa die Pläne für ein US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa. Vor allem aber die einseitige Anerkennung des Kosovo. Er, Schröder, habe schon damals gewarnt, die Anerkennung könne als "Blaupause für andere Konflikte dienen". Genau so sei es jetzt gekommen. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht zu, als er das sagt. Schröder ist einer, der am Ende gerne Recht behält.

Schröders Nein zum Nato-Beitritt Georgiens

Nur: In der Bewertung der Kaukasus-Krise steht er im Moment ziemlich alleine da. Die EU beschließt eine Verhandlungspause. Schröder mahnt Gesprächsbereitschaft an, weil es nur mit, aber nicht ohne Russland gehe.

Kanzlerin Angela Merkel stellt Georgien eine Mitgliedschaft der Nato in Aussicht - für Schröder das Letzte, was jetzt anstehe. Mehr noch: "Ich halte das für ausgeschlossen, dass man das vereinbaren kann."

Es ist, als würde der russische Botschafter selbst sprechen. Weil das nicht der Fall ist, kann seine Rede auch als Breitseite gegen die Außenpolitik der christdemokratischen Kanzlerin und damit alle Russlandskeptiker gedeutet werden. Zu denen er seinen früheren Adlatus Steinmeier freilich nicht rechnet.

Die Botschaft dürfte klar sein: Er hätte es besser gemacht.

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