Schröder:"Die Erweiterung wird uns nicht ärmer, sondern reicher machen"

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Der Kanzler gab im Bundestag ganz den Staatsmann. Sprach von der europäischen Familie, in die die zehn neuen EU-Mitglieder nun zurückkehren. Gar vom Vermächtnis der Gründungsväter. Auch die Opposition freute sich über die Wiedervereinigung Europas.

Bei seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag bezeichnete Schröder die EU-Erweiterung als Erfüllung einer historischen Mission. Die Aufnahme der zehn Staaten sei eine konsequente Fortsetzung der europäischen Einigung.

Völker, die seit langem Teil Europas seien, kämen zurück in die europäische Familie, betonte der Kanzler in Anwesenheit der Botschafter aus den alten und neuen EU-Mitgliedsländern.

Nach seinen Worten waren schon die Gründungsväter der europäischen Einigung davon überzeugt, dass der Kontinent nicht am Eisernen Vorhang enden dürfe. "Wir können heute mit Stolz sagen: Mit dem morgigen Datum wird dieses Vermächtnis erfüllt sein."

Export sichert Arbeitsplätze

Nach den Worten Schröders bietet die Erweiterung der Europäischen Union für Arbeitsmarkt und Wirtschaft mehr Chancen als Risiken.

"Deutschland wird am meisten von der Erweiterung profitieren", sagte er. Die internationale Arbeitsteilung könne zwar dazu führen, dass auch deutsche Unternehmen Arbeitsplätze ins Ausland verlagerten. Deutschland sei aber in den Mitgliedstaaten fast überall die Nummer eins im Außenhandel. Das sichere Arbeitsplätze. Seit 1992 hätten sich die deutschen Exporte in die Beitrittsländer beinahe vervierfacht.

"Die Erweiterung wird uns nicht ärmer, sondern reicher machen", so der Kanzler Allerdings müssten die Deutschen auch in Zukunft darauf achten, dass es keinen einseitigen Steuerwettbewerb zu Lasten der Nettozahler in der Europäischen Union gebe.

Kein Wettbewerb um niedrige Steuern und Löhne

Die ökonomische Integration der mittel- und osteuropäischen Staaten sei zu weiten Teilen längst vollzogen, erklärte der Kanzler. 95 Prozent des Außenhandels dieser Volkswirtschaften mit der EU unterlägen bereits heute keinerlei Beschränkung.

Deutschland dürfe sich nicht auf einen Wettlauf mit den neuen EU-Mitgliedern um niedrige Löhne und Steuern einlassen. Die Zukunft Deutschlands könne nicht darin liegen, in eine solche "gnadenlose Konkurrenz" einzutreten. Einen solchen Wettbewerb könne das Land nicht gewinnen.

Schröder mahnte eindringlich die zehn neuen Mitgliedsländer, auf einen "einseitigen Steuerwettbewerb zulasten der Nettozahler" in der EU zu verzichten. Ein Steuerdumping dürfe es nicht geben.

Fischer und Stoiber sprechen von historischer Zäsur

Es müsse weiter versucht werden, eine Steuer-Harmonisierung in der Union zu erreichen, auch wenn sie bislang an Ländern wie Großbritannien gescheitert sei.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, CSU-Chef Edmund Stoiber und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle bezeichneten die Osterweiterung zwar ebenfalls als "historischen Tag".

"Der Beitritt der 10 Länder ist der zweiten große Schritt zur Wiedervereinigung Europas", hob auch Merkel hervor. Dies bedeute nicht nur eine Bereicherung Europas, sondern auch neue Perspektiven für junge Menschen. Außenminister Fischer (Grüne) sprach wie Stoiber von einer "historischen Zäsur".

Rau erstmals im polnischen Parlament

Merkel, Stoiber und Westerwelle ließen aber unterschiedliche Beurteilungen der Konsequenzen aus der grundlegenden Veränderung Europas erkennen. Die Differenzen betreffen vor allem die Herausforderungen der unterschiedlichen Steuer- und Lohnpolitik im Verhältnis zwischen den Beitrittsländern und den etablierten Staaten.

Auch in der Frage des Beitritts der Türkei konnte die Kluft zwischen beiden Lagern nicht überwunden werden.

Im polnischen Parlament unterstrich Bundespräsident Johannes Rau beim ersten Auftritt eines deutschen Staatsoberhaupts vor Sejm und Senat die historische Bedeutung des Beitritts Polens zur Europäischen Union.

"Für Deutsche und Polen beginnt ein völlig neuer Abschnitt unserer Nachbarschaft, beginnt eine neue Epoche mit großartigen Möglichkeiten und weit reichenden Perspektiven", sagte Rau am Freitag in Warschau. Sejm und Senat waren wegen seines eintägigen Besuchs zu einer Sondersitzung zusammengekommen.

Rau: Erweiterung eine historische Notwendigkeit

Rau erinnerte in seiner Rede an den Ausgleich zwischen Deutschland und Frankreich. "Genauso eng wünsche ich mir die Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschen", sagte der Bundespräsident, der während seiner am 30. Juni endenden Amtszeit in keinem Land so oft war wie in Polen.

Die Osterweiterung der EU am 1. Mai beende die willkürliche Teilung Europas. "Der Beitritt der neuen Mitgliedstaaten ist aber wahrlich kein westeuropäischer Gnadenakt. Er ist eine historische Notwendigkeit."

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