Schlechte Ernte:Gold, Silber, Vanille

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Das Gewürz ist knapp - und der Preis so hoch wie nie.

Von Hanno Charisius

Frisch geerntet sehen die Samenkapseln der Vanillepflanze aus wie übergroße Erbsenschoten. Erst nach wochenlanger Trocknung und Fermentation werden daraus die schwarzen, ledrigen Dinger, die, in Glasröhrchen verpackt, vor allem während der Vorweihnachtszeit in deutschen Supermärkten verkauft werden. Oder eher: wurden. Denn der Vanille-Markt steckt in einer Krise. "Weihnachten wird es kaum noch Vanille geben", sagt Berend Hachmann, Hamburger Vanille-Händler in der dritten Generation.

Die Ursachen für den drohenden Vanillenotstand liegen in einer komplexen Mischung aus marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, katastrophal schlechtem Wetter und der Furcht der Bauern vor Diebstahl. "In den Jahren 2005 bis 2012 hatten wir historische Niedrigpreise", sagt Hachmann. "In der Zeit begannen viele Bauern, ihre Plantagen zu vernachlässigen. Entsprechend klein fielen die Ernten aus." Als die Nachfrage dann wieder stieg, vor allem getrieben durch große Nahrungsmittelkonzerne, deren Kunden plötzlich vermehrt Wert legten auf natürliche Zutaten statt künstlicher Aromastoffe, konnten die Erträge den Bedarf nicht decken. Und dann kam Anfang März der Zyklon Enawo. Der Sturm zerstörte ein Drittel der Vanilleplantagen auf Madagaskar, wo gut 60 Prozent der weltweit gehandelten Vanille wächst. Einige Experten rechnen mit einer Jahresernte von etwas mehr als 1000 Tonnen auf der Insel, im Vorjahr waren es fast 2000 Tonnen.

Entsprechend heftig sind die Preise gestiegen. Bis vor vier Jahren dümpelte der Preis bei 30 Euro pro Kilo, bis Anfang des Jahres hatte er sich verzehnfacht und seither fast nochmals verdoppelt. An die 600 Euro kostet ein Kilo zurzeit, mehr als Silber. Hachmann erwartet nicht, dass sich die Preise vor Mitte nächsten Jahres wieder entspannen werden, doch er ist zuversichtlich: "Es hat schon viele Vanillekrisen gegeben, auch diese wird wieder vorbeigehen." In den 1970er-Jahren bereits hatten Unwetter ebenso extreme Preisspitzen verursacht, wie auch im Jahr 2000. Noch nie aber war der Preis so hoch wie in diesem Jahr.

Wenigstens drei Jahre wird es dauern, bis auf den zerstörten Plantagen wieder die grünen Schoten geerntet werden können. So lange brauchen die Kletterpflanzen, bis sie wieder Früchte tragen - vorausgesetzt, sie werden dabei gut gepflegt. Die Pflanze stammt ursprünglich aus Mexiko, und nur dort leben die Insekten und Vögel, die sie zur Fortpflanzung braucht. In allen anderen Anbauländern muss der Mensch die Rolle des Bestäubers übernehmen, sonst gibt es keine Vanille.

Paradoxerweise wirkt sich der hohe Preis schlecht auf die Qualität der Ware aus. Seit sich jede Schote mit Silber aufwiegen ließe, ziehen die Plantagen Diebe an. Aus Furcht vor dem totalen Ernteverlust pflücken die Bauern die noch unreifen Kapseln, auch wenn die Pflanzen dann noch nicht die volle Menge des typischen Aromastoffs Vanillin gebildet haben. Wer in der Vorweihnachtszeit die teure Backzutat scheut, kann immerhin auf künstlich hergestelltes Vanille-Aroma zurückgreifen. Laien können den Unterschied kaum schmecken. Nur auf die schwarzen Punkte im Backwerk, die das Naturprodukt kennzeichnen, muss man dann verzichten.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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